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Coogans Fluch (German Edition)

Coogans Fluch (German Edition)

Titel: Coogans Fluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar Nietsch
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nicht immer gleich. Es gibt Orte auf der Welt, wo Tage zu Stunden oder zu Jahren werden. Die Höhlen und die Stadt sind ein solcher Ort. In ihren Hallen und Räumen vergeht ein Tag, vier an der Oberfläche. Diese Halle ist das Zentrum dieser Macht, hier steht die Zeit still. Es gibt kein Gestern und kein Morgen, nur ein Jetzt. Auf dich, einen Unwissenden, wirken diese Kräfte ganz besonders, du fühlst sie und sie verunsichern dich.“
      „Weshalb brachtest du mich her?“
      Der Alte schien zu wachsen als er sagte: „Hier erwartet dich dein Schicksal. Der Grund, warum die Mächte dich hierher führten. Dich und den Narbigen.“ Damit trat er zu einem Lager – erst   jetzt bemerkte Jonathan den steinernen Sockel, auf dem ein Lager aus Wapitifellen gerichtet war – beugte sich zu den Fellen hinunter und hob aus ihnen einen etwa zweijährigen Knaben.
      Mit dem Kind auf den Armen trat er vor Jonathan. „Hier, weißer Mann, siehst du den Grund deines Erscheinens. Dieser Knabe ist von den Mächten auserwählt und er ist unsere Bestimmung.“
      Jonathan starrte den Alten an. „Deine Mächte scheinen nicht zu wissen, wer ich bin. Was soll ich mit einem Kind? Keine zwei Wochen würde es an meiner Seite überleben.“
      „Deine Jahre der Wanderschaft sind vorbei und das weißt du. Bald trittst du deinem Feind gegenüber und der Überlebende erhält dies Kind.“
      „Was soll das heißen?“
      Der Alte lachte, es war ein hartes Lachen: „Die Mächte wollen, dass dieses Kind unter den Weißen lebt. Es ist ein besonderes Kind, es wird schneller lernen und begreifen als andere Kinder. Es wird klüger und stärker sein als die Klügsten und Stärksten unter euch und es wird länger leben und mehr bewirken als die Gesündesten und Mächtigsten.“
      Jonathan schüttelte den Kopf: „Du vergisst, was ich bin. Deine Mächte scheinen seltsame Vorstellungen von Lehrern zu haben. Was außer Tod und Hass kann es bei Männern wie mir schon lernen?“
      Ausdruckslos starrte der Alte in Jonathans Augen, dann sagte er: „Maße dir nicht an, den Willen der Mächte verstehen zu wollen. Es genügt, ihren Willen zu erkennen und danach zu handeln. Für sie existieren weder Gut noch Böse, nur Leben, Tod und Wiedergeburt – der ewige Kreislauf. Diese Stadt wird sterben, mit ihr der Zauber, der in ihren Hallen herrscht. Auch das Kind, bliebe es hier. Aber die Mächte wollen, dass es lebt. Du und der Narbige müsst die Prüfung bestehen, die ihr euch gegenseitig aufgebt.“
      „Sag, Alter, wie lange befindet sich das Kind schon hier?“
      „Außerhalb dieser Hallen sind hundert Sommer vorüber gegangen.“
      „Ist es dein Kind?“
      „Nein, aber es ist das letzte Kind meines Geschlechts. Der letzte aus dem Volk des roten Mannes, dem die Gabe innewohnt.“
      „Was ist das, die Gabe?“
      „Das ist nicht mehr wichtig, weißer Jäger. In deiner Welt wird dies Kind andere Lehrmeister erhalten als in meiner. Die Gabe wird sich dort anders manifestieren.“
      Obwohl er kein Wort verstand, nickte Jonathan. Nach einer Weile blickte er in die Augen des Alten: „Und du würdest dies Kind wirklich dem Narbigen überlassen, sollte er siegen?“
      Der Alte grinste vielsagend, dann entgegnete er: „Ich habe mich in euer Schicksal schon mehr eingemischt als nötig gewesen wäre. Wärest du in den Höhlen gestorben, dann wäre jetzt alles klar, oder nicht?“
      „Allerdings“, gab Jonathan zu. „Na gut, doch wisse, dass mir deine Mächte scheißegal sind. Ich stehe in deiner Schuld und nur darum gebe ich dir mein Wort, mich um dieses Kind zu kümmern, wenn der Narbige tot ist. Ich hoffe, dies ist genug für dich und deine Mächte.“
      Der Alte nickte, legte das Kind zurück auf sein Lager und sagte: „Mehr als genug. Doch jetzt komm, dein Gegner wird dich bald suchen und du benötigst eine Waffe.“ Schon schritt er zum rückwärtigen Teil der Halle und wieder folgte ihm Jonathan, bis sie den Durchgang zu einer weiteren Kammer erreichten. Im flackernden Schein seiner Fackel sah sich Jonathan um. Der Raum war angefüllt mit Waffen aller Art. Ein Großteil der Sammlung bestand aus den traditionellen Jagdwaffen der Ureinwohner, doch daneben fand Jonathan eine beachtliche Menge Feuerwaffen. Seine Aufmerksamkeit erregten vor allem mehrere Steinschlossflinten russischer Herkunft. Die Luftfeuchtigkeit hatte sie längst unbrauchbar gemacht, doch fand er eine ebensolch stattliche Zahl neuerer Feuerwaffen.

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