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Coogans Fluch (German Edition)

Coogans Fluch (German Edition)

Titel: Coogans Fluch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lothar Nietsch
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zurückkehrte. Doch schnell verwarf er den Gedanken. Wenn der Alte ihn sehen wollte, dann würde er ihn finden, dessen war sich Jonathan sicher. Auch wenn er Gefahr lief, sich in dem unterirdischen Labyrinth zu verirren, so sagte ihm eine innere Stimme, dass ihn sein Schicksal leiten würde. So schulterte er seinen Rucksack und mit einem gehörigen Vorrat an Fackeln verließ er die Kammer. Diesmal schlug er die entgegengesetzte Richtung ein, als bei seinem letzten Rundgang. Irgendwann mündete der Gang in eine Halle gewaltigen Ausmaßes. Dutzende Säulen stützten die im Dunkeln verborgene Decke. Risse und Spalten durchzogen den Boden. Gesteinsbrocken, die irgendwo aus der Decke gebrochen sein mochten, lagen zwischen den Säulen verstreut. Auch an den Säulen selbst, fanden sich Spuren des Zerfalls. Der Boden schien aus eigenartigem Material zu bestehen und es dauerte eine Weile, bis der Jäger begriff, dass er über feinpolierten Marmor schritt. Im begrenzten Schein seiner Fackel vermochte er das wahre Ausmaß dieser Halle nur zu erahnen, trotzdem schritt er zügig weiter. Plötzlich erhellte vor ihm diffuser Schimmer die Halle. Neugierig hielt der Jäger darauf zu und bald erkannte er, dass Tageslicht in die unterirdische Welt hereinflutete. Ein riesiges, offen stehendes Tor glotzte Jonathan wie das Maul eines Ungeheuers entgegen. Überreste halbvermoderter Torflügel hingen in verrosteten Angeln, es sah so aus, als habe man das Tor vor Generationen zum letzten Mal geöffnet und danach vergessen.
      Sonnenlicht stach Jonathan in die Augen und er benötigte einige Augenblicke, bis es ihm gelang in das helle Tageslicht vor dem Tor zu blicken und als er endlich die Landschaft betrachten konnte, stand ihm der Mund vor Staunen offen. Vor dem Tor erstreckte sich ein weiträumiger Platz, der wie eine gigantische Terrasse etwa vierhundert Fuß über dem Talgrund thronte. Ein schmaler, unter der Schneedecke kaum erkennbarer Pfad schlängelte sich entlang der linken Felswand abwärts, verlor sich irgendwo in einem Hain Zwergbirken, der am Ufer eines kleinen, tiefschwarzen Sees in der Mitte des von schneebedeckten Gipfeln umrahmten Tales endete. Schroffe, beinahe senkrechte Felswände umgaben es, wie eine unüberwindbare lückenlose Mauer. Die Breite des Tales schätzte Jonathan auf etwa eine dreiviertel Meile und die Länge auf zwei. Den Talschluss bildete eine zwei Meilen aufragende Felswand, die in einem kegelförmigen, schneebedeckten Gipfel mündete, aus dem sich schwarze Rauchschwaden erhoben. Von der Hochebene aus hatte Jonathan diesen Berg gesehen, doch hatte er unerreichbar fern gewirkt. Die unterirdische Anlage musste sich tatsächlich auf Meilen erstrecken.
      „Dies ist der Garten meines Volkes.“
      Jonathan fuhr herum. Der Alte stand hinter ihm, wie immer hatte der Jäger nichts von dessen Nahen bemerkt.
      „Ich spüre große Ungeduld in dir. Es ist Zeit, folge mir“, sagte der Alte und Jonathan nickte. Er wusste auch ohne Erklärung, was er meinte.
      Aufmerksam musterte der Alte Jonathans Gesicht und fügte anerkennend hinzu: „Du bist frei von Hass. Das ist gut, sehr gut.“ Dann wandte er sich um und schritt ins Dunkel der Halle.
      Brummend folgte ihm der Jäger. Je weiter sie gingen, desto mehr empfand Jonathan ein seltsames Gefühl. Irgendetwas schien anders, hatte sich grundlegend verändert, aber Jonathan vermochte nicht zu sagen was.
      Nachdem sie ohne ein Wort zu wechseln etwa eine Stunde durch die einsame Welt des Alten marschiert waren, verhielt der Alte vor einer mannshohen Toröffnung. Sie waren schnell gegangen, doch längst schon wunderte sich Jonathan nicht mehr über die erstaunliche Rüstigkeit des Indianers.
      Ohne Zutun des Alten schwang das Tor geräuschlos nach innen und rasch trat der Indianer ein. Jonathan folgte etwas langsamer, das seltsame Gefühl durchdrang jede seiner Zellen.
      „Du brauchst dich nicht zu fürchten, weißer Jäger“, der Alte verstummte und Jonathan blickte sich in der Halle um. Mächtige, von seltsamen Schriftzeichen bedeckte Säulen trugen die gewölbte Decke. Die Halle wurde von pulsierenden, grünlichen Leuchten erhellt, ohne dass Jonathan die Lichtquelle ausmachte. Er fasste sich an den Hals, die Luft schien dicker, beinahe flüssig geworden zu sein. „Wo, zur Hölle, sind wir?“
      Lächelnd erwiderte der Alte: „An einem Ort, an dem die Zeit nicht existiert, jedenfalls nicht so wie du sie kennst. Zeit ist wie Kraft oder Macht –

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