Cook, Robin
Eizellen Kinder entstanden sind. Es war nie die Rede davon, ihnen einen Besuch abzustatten. Ich halte eine Begegnung sogar für ziemlich unangemessen, und die Eltern sehen das mit Sicherheit ähnlich.«
»Ich binde ihnen doch nicht auf die Nase, dass ich die Spenderin war«, entgegnete Joanna. »Das ist es doch, worüber du dir Sorgen machst, nicht wahr?«
»Ich mache mir Sorgen um dich«, erklärte Deborah. »Zu wissen, dass ein Kind von dir existiert, ist eine Sache, aber es leibhaftig zu sehen, ist etwas ganz anderes. Ich glaube nicht, dass du dir das antun solltest. Damit machst du dir nur das Leben schwer.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Joanna. »Im Gegenteil: Es wird mich beruhigen, die Kinder zu sehen, und ich werde mich gut fühlen.«
»Genauso argumentieren Süchtige, bevor sie sich die erste Heroinspritze setzen«, wandte Deborah ein. »Falls es diese beiden Kinder tatsächlich gibt und du sie siehst, willst du sie mit Sicherheit immer wieder sehen, und das kann für keinen der Beteiligten gut sein.«
»Du kannst dir deine Worte sparen«, sagte Joanna. »Ich lasse mich nicht von meinem Vorhaben abbringen.« Sie holte ihr Handy aus der Tasche, wählte die Nummer von Familie Sard und sah Deborah an. Am anderen Ende der Leitung klingelte es, und das war schon mal ein gutes Zeichen. Die Telefonnummer gab es also wirklich.
»Hallo«, meldete sich Joanna, als jemand abnahm. »Spreche ich mit Mrs Sard?«
»Ja. Und wer sind Sie?«
»Mein Name ist Prudence Heatherly«, erwiderte Joanna. »Ich rufe aus der Wingate Clinic an und möchte mich erkundigen, wie Ihr Baby sich entwickelt.«
»Oh – unserem kleinen Jason geht es prima«, berichtete Mrs Sard. »Wir sind ganz aufgeregt. Seit neuestem krabbelt er nämlich.«
Joanna zog die Augenbrauen hoch und sah Deborah an. »Ach tatsächlich? Er fängt schon an zu krabbeln! Das ist ja wunderbar! Ich rufe übrigens noch aus einem anderen Grund an, Mrs Sard. Im Rahmen unserer Nachbetreuung würden wir uns Ihren kleinen Jason gern noch einmal ansehen. Wäre es Ihnen recht, wenn eine Kollegin aus der Wingate Clinic und ich kurz bei Ihnen vorbeikommen?«
»Selbstverständlich«, erwiderte Mrs Sard. »Wenn es Sie und all die hart arbeitenden Experten in Ihrer Klinik nicht gäbe, hätten wir dieses kleine, süße Freudenbündel schließlich gar nicht. Was für ein Segen, dass wir ihn bekommen haben! Wir haben uns so lange ein Kind gewünscht. Wann möchten Sie denn kommen?«
»Würde es Ihnen in der nächsten halben Stunde passen?«
»Das wäre sogar perfekt. Jason ist nämlich gerade aus seinem Mittagsschlaf erwacht. Er müsste also ausgeruht und gut gelaunt sein. Haben Sie unsere Adresse?«
»Ja«, erwiderte Joanna. »Aber Sie können mir gern den Weg erklären.«
Die Adresse war einfach zu finden. Sie mussten lediglich nach links in die Main Street einbiegen, ein Stück stadteinwärts fahren und hinter der Rite-Smart-Apotheke erneut links in die erste Straße einbiegen. Familie Sard lebte in einem im Sechziger-Jahre-Stil erbauten Reihenhaus, das dringend einen neuen Anstrich benötigte und an dem die minderwertigen Ziegel sich bereits von der Fassade lösten. Auf dem Rasen stand eine nagelneue Kinderschaukel, die in der Nachmittagssonne glänzte und einen starken Kontrast zu dem ansonsten eher bescheidenen Haus bildete.
Deborah bog in die Einfahrt und hielt hinter einem alten Ford Pick-up. Jetzt sah auch sie die neue Schaukel. »Eine brandneue Schaukel für ein sechs Monate altes Kind! Na, wenn das nicht auf einen bemühten Dad schließen lässt!«
»Mrs Sard erwähnte vorhin, dass sie ziemlich lange auf ihr Kind gewartet haben.«
»Nach dem Haus zu urteilen, können sich die Sards die stolzen Preise der Wingate Clinic eigentlich nicht leisten.«
Joanna nickte. »Wie sie das Geld wohl zusammengekratzt haben? Unfruchtbare Paare sind in ihrer Verzweiflung zu vielem bereit. Ich habe gehört, dass einige Hypotheken auf ihre Häuser aufnehmen oder sich das Geld anderweitig leihen, aber wenn man dieses Haus hier sieht, scheiden die beiden Möglichkeiten wohl eher aus.«
Deborah wandte sich zu Joanna um. »Wahrscheinlich haben sie sich finanziell so verausgabt, dass sie jetzt kaum noch für die Extrakosten aufkommen können, die ein Kind mit sich bringt. Willst du wirklich bei der Familie klingeln? Da drinnen sieht es womöglich ziemlich trostlos aus. Meiner Meinung nach sollten wir umkehren und die Sache auf sich beruhen lassen.«
»Ich will das Kind
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