Cook, Robin
sehen!« Joanna blieb stur. »Ich komme schon damit zurecht. Mach dir um mich keine Sorgen.« Sie öffnete die Tür und stieg aus. Deborah stieg ebenfalls aus dem Wagen. Dann steuerten sie die Haustür an. Mit ihren hohen Absätzen musste Deborah extrem aufpassen, nicht ständig in den Ritzen des brüchigen Betonbelags stecken zu bleiben. Einmal verlor sie dennoch ihren Schuh und musste sich bücken, um ihn wieder herauszuziehen.
»Tu mir einen Gefallen, und geh in die Knie, wenn du dich noch einmal bückst«, bat Joanna. »Jetzt ist mir klar, warum Randy am Wasserspender solche Stielaugen gemacht hat.«
»Du bist ja nur eifersüchtig«, witzelte Deborah.
Sie stiegen die Treppe zur Haustür hinauf.
»Bist du bereit?«, fragte Deborah und legte ihre hohle Hand über die Türklingel.
»Jetzt mach es nicht so spannend und klingele endlich!«, drängte Joanna.
Deborah drückte auf den Knopf, und es ertönte ein auch draußen gut hörbarer, mehrere Sekunden anhaltender Klingelton, dem offenbar irgendeine Melodie zu Grunde lag.
»Was für ein reizendes Gebimmel«, bemerkte Deborah sarkastisch.
»Sei nicht so voreingenommen!«, mahnte Joanna.
Die Innentür ging auf, und durch die noch geschlossene, schmutzige Außentür erkannten sie eine ziemlich fettleibige Frau in einem Hausanzug. Auf dem Arm hatte sie ein Baby mit einem schwarzen Haarschopf. Als sich auch die Außentür öffnete und Joanna und Deborah einen ungehinderten Blick hatten, blieb ihnen vor Staunen und Entsetzen der Mund offen stehen. Deborah stolperte mit ihren hochhackigen Pumps ein Stück nach hinten und musste sich am Geländer festhalten, um nicht die Treppe hinunterzufallen.
Eigentlich hatte Paul Saunders Wichtigeres zu tun, als sich mit Kurt Hermann zu treffen. Er hatte sogar die Autopsie an dem Wurf der Sau verschieben müssen, die er gemeinsam mit Greg Lynch im Autopsieraum der Farm hatte durchführen wollen. Doch Kurt hatte sich nicht abwimmeln lassen. Schließlich hatte Paul widerstrebend eingewilligt, erst recht, als Kurt darauf bestanden hatte, im Pförtnerhäuschen mit ihm zu reden, also weit weg von anderen Ohren. Paul wusste, dass das nur Ärger bedeuten konnte, aber er machte sich keine Sorgen. Er vertraute voll und ganz auf Kurts Fähigkeiten und seine Diskretion. Dafür wurde der Mann schließlich gut bezahlt… und zwar sehr gut.
Während er auf das kompakte Pförtnerhäuschen zuging, musste Paul unweigerlich an seinen Besuch bei Kurt Hermann denken, der inzwischen schon gut zwei Jahre zurücklag. Damals war es um den katastrophalen Anästhesie-Zwischenfall gegangen, und Kurt hatte die Krise zuverlässig und sicher gemanagt. Die Erinnerung daran trug nicht unerheblich zu Pauls Gemütsruhe bei.
An der Tür trat er sich den Schmutz von den Schuhen, der auf seinem Weg über den feuchten Rasen haften geblieben war. Die Natur hatte sich immer noch nicht von dem kalten, schneereichen Winter erholt. Dann ging er hinein. Kurt saß in seinem spartanisch eingerichteten Büro am Schreibtisch. Paul zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ebenfalls.
»Wir haben ein ernst zu nehmendes Sicherheitsproblem«, begann Kurt in seinem typisch gleichmütigen Tonfall. Er hatte die Ellbogen auf die Schreibtischplatte gestützt und die Hände in der Luft gefaltet. Zur Betonung seiner Worte stieß er die ausgestreckten Zeigefinger in Pauls Richtung. Darüber hinaus ließ er keinerlei Anzeichen von Gefühlsregung oder gar Panik erkennen.
»Ich höre«, entgegnete Paul.
»Heute haben zwei neue Damen bei uns angefangen«, stellte Kurt fest. »Eine gewisse Georgina Marks und eine Prudence Heatherly. Ich nehme an, Sie haben persönlich mit beiden gesprochen, wie Sie es bei Neueinstellungen immer zu tun pflegen.«
»Selbstverständlich«, bestätigte Paul. Vor seinem inneren Auge sah er sofort Georginas kurvenreichen Körper.
»Ich habe ein paar Erkundigungen eingeholt. Die beiden sind nicht die, die sie zu sein vorgeben.«
»Wie bitte? Das müssen Sie mir erklären!«
»Sie haben falsche Namen angegeben«, fuhr Kurt fort. »Georgina Marks und Prudence Heatherly sind zwei junge Frauen aus der Gegend von Boston, aber sie sind beide kürzlich verstorben.«
Paul musste schlucken. Seine Kehle war plötzlich ganz trocken. »Wer sind die beiden dann?«, fragte er heiser und räusperte sich. »Haben Sie eine Ahnung?«
»Eine der beiden heißt mit richtigem Namen Deborah Cochrane«, erwiderte Kurt. »Das Auto, mit dem sie gekommen sind, ist auf sie
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