Cook, Robin
gebraucht. Doch inzwischen funktionierte alles wie am Schnürchen, und das hieß, dass er im Grunde nicht mehr viel zu tun hatte. Eigentlich musste er nur in Reichweite sein, falls es irgendwo kleinere Probleme mit der Hardware oder Software gab, und auch die traten meistens nur auf, weil irgendein Schwachkopf wieder einmal einen dummen Bedienungsfehler gemacht hatte. Randy hütete sich natürlich, die Verursacher auf ihre Dummheit hinzuweisen. Stattdessen war er immer höflich und hilfsbereit und schob alle Probleme auf die Computer.
Sein Arbeitstag sah in etwa immer gleich aus: Wenn er morgens kam, hockte er sich in seiner Arbeitsnische vor den Monitor und checkte mit Hilfe von Windows 2000 Active Directory, ob alle Programme und Systeme ordnungsgemäß liefen und alle Terminals angeschlossen waren. Das kostete ihn etwa fünfzehn Minuten.
Anschließend stärkte er sich mit einer kurzen Kaffeepause für sein morgendliches Computerspiel. Damit er nicht von Christine Parham, der Abteilungsleiterin, erwischt wurde, zog er regelmäßig durch die Büronischen und suchte sich eine Workstation, an der gerade niemand arbeitete, um sein Spiel dort fortzusetzen. Es war deshalb gar nicht leicht, ihn zu finden, wenn man ihn brauchte, aber bisher hatte sich nie jemand darüber beschwert, weil natürlich jeder davon ausging, dass er gerade irgendeinen Computer reparierte, wenn er nicht in seiner Nische anzutreffen war.
Am 10. Mai um 11.11 Uhr war er gerade in einen tödlichen Kampf verwickelt. Sein Gegner war ein äußerst talentierter, aber zwielichtiger Kämpfer namens SCREAMER. Zurzeit war das Computerspiel Unreal Tournament sein Lieblingsspiel, und im Moment stand er mitten in der nervenzehrenden Entscheidungsschlacht, in deren Verlauf er oder SCREAMER getötet würden. Seine Hände waren vor Aufregung ganz feucht, doch er kämpfte wild entschlossen. Am Ende, da war er sicher, würde er dank seiner langen Kampferfahrung den Sieg davontragen.
Plötzlich ertönte ein leiser Piepton. Randy zuckte zusammen und sprang fast aus seinem ergonomischen Stuhl auf. Ganz unten rechts auf seinem Bildschirm hatte sich ein kleines Fenster geöffnet, in dem fortwährend die Botschaft aufblinkte: EINDRINGLING IM SERVER-RAUM. Bevor er das Fenster wieder schließen konnte, ertönte ein schrilles, verhängnisvolles Getöse. Sein Blick schoss zurück auf das Hauptfenster, und zu seinem großen Verdruss erschien dort das Gesicht seines Gegners und grinste ihn hämisch an. Randys Hirn erfasste schneller als der Pentium-4-Prozessor, dass er soeben getötet worden war.
»Verdammter Mist!«, fluchte er. Es war seine erste Niederlage seit über einer Woche und nach so langer Zeit ununterbrochener Siege eine herbe Enttäuschung. Wütend starrte er erneut die aufblinkende Warnung an, die ihn in der entscheidenden Phase des Kampfes abgelenkt hatte. Irgendjemand hatte die Tür zum Server-Raum geöffnet. Randy mochte es überhaupt nicht, wenn jemand den Server-Raum betrat und dort alles durcheinander brachte. Der Server-Raum war einzig und allein seine Domäne. Außer ihm hatte dort niemand etwas zu suchen – höchstens das Wartungsteam von IBM, und selbst das betrat den Raum nur in seiner Begleitung.
Er beendete Unreal Tournament und ließ seinen Joystick hinter dem Monitor verschwinden. Dann stand er auf und machte sich auf den Weg zum Server-Raum. Er war gespannt, wer zum Teufel da in seine Domäne eingedrungen war. Wer immer es war, er war dafür verantwortlich, dass er gerade getötet worden war.
Joanna rutschte das Herz in die Hose. Soeben hatte ihr Handy vibriert. Seitdem sie die äußere Tür zum Server-Raum passiert hatte, hatte sie entsetzliche Angst. Noch nie im Leben hatte sie sich vor einer Computertastatur so unbeholfen angestellt. Für die Eingabe der simpelsten Befehle brauchte sie eine Ewigkeit, und das verschlimmerte ihren Angstzustand noch, wodurch ihr wiederum das Eintippen noch schwerer fiel – es war ein Teufelskreis.
Der Anruf musste das verabredete Warnsignal von Deborah gewesen sein, also musste sie so schnell wie möglich verschwinden. Es konnte sich nur um Sekunden handeln, bis Randy Porter im Server-Raum auftauchte. Panisch beeilte sie sich, sämtliche Fenster zu schließen, die sie auf dem Monitor geöffnet hatte, doch mit ihren zwei linken Händen bewegte sie die Maus so ruckartig, dass sie für jeden Befehl eine Ewigkeit brauchte. Irgendwie schaffte sie es schließlich doch, das letzte Fenster zu schließen. Der
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