Cook, Robin
jede Hoffnung aufgegeben, dass er vielleicht doch woandershin wollte; sein Ziel war definitiv der Server-Raum. Sie selber war ratlos vor der Tür stehen geblieben. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.
Die folgenden Minuten hatten sie reichlich Nerven gekostet. Sie hatte hin- und herüberlegt, ob sie hineingehen und versuchen sollte, die Situation – wie auch immer sie eskaliert sein mochte – zu entschärfen. Sie hatte sogar ins Auge gefasst hineinzuplatzen, sich Joanna zu schnappen und mit ihr zum Auto zu rennen und einfach abzuhauen. Doch dann war Randy zu ihrer großen Überraschung wieder herausgekommen, und zwar allein, und er wirkte viel ruhiger als ein paar Minuten zuvor beim Betreten seiner Domäne.
Deborah hatte sich schnell über den Wasserspender gebeugt und so getan, als wollte sie einen Schluck nehmen; schließlich wollte sie nicht durch verdächtiges Herumlungern auf dem Flur auffallen. Randy war an ihr vorbeigegangen, doch sie hatte registriert, dass er seinen Schritt deutlich verlangsamt hatte. Wenigstens war er nicht stehen geblieben. Als sie sich schließlich wieder aufgerichtet hatte, war er bereits einige Meter entfernt gewesen. Er hatte den gleichen Weg eingeschlagen, den er gekommen war, doch anstatt nach vorn zu sehen, hatte er Kopf und Oberkörper nach hinten gedreht, um Deborah nicht aus den Augen zu verlieren. Als ihre Blicke sich trafen, hatte er ihr den aufgerichteten Daumen entgegengestreckt. Deborah war knallrot geworden, denn plötzlich war ihr klar geworden, dass sie ihm beim Bücken über den Wasserspender einen beträchtlichen Teil ihres Hinterns präsentiert hatte.
»Ich bin für so etwas nicht geschaffen!«, stellte Joanna wütend fest.
Deborahs Beruhigungsversuche brachten sie auf die Palme, obwohl sie selber nicht recht wusste, auf wen oder was sie eigentlich wütend war. Sie presste ihre Lippen zusammen, doch sie zitterten unaufhörlich weiter, als ob sie jeden Moment erneut in Tränen ausbrechen würde. »Ich meine es ernst!«
Deborah redete weiter beruhigend auf sie ein.
»Ich bin für so etwas wirklich nicht geschaffen!«, wiederholte Joanna leise. »Ich wäre beinahe gestorben. Es war einfach furchtbar.«
»Du hast dich doch wacker geschlagen«, widersprach Deborah. »Dein Rückzug hat bestens funktioniert, und er hat dich nicht gesehen! Geh doch nicht so hart mit dir ins Gericht!«
»Meinst du das im Ernst?«, fragte Joanna und japste ein paar Mal nach Luft.
»Ja«, versicherte Deborah. »Jeder – und mit Sicherheit auch ich – hätte es vermasselt. Aber du hast es irgendwie geschafft, dich unsichtbar zu machen. Und dadurch haben wir einen zweiten Versuch frei.«
»Ich gehe auf keinen Fall noch einmal in den Raum«, behauptete Joanna. »Das kannst du vergessen.«
»Willst du wirklich aufgeben, nachdem wir schon so weit gekommen sind?«
»Jetzt bist du dran«, verlangte Joanna. »Du gehst in den Server-Raum, und ich stehe Schmiere.«
»Wenn ich könnte, würde ich es sogar tun«, entgegnete Deborah. »Das Problem ist nur, dass ich viel zu wenig von Computern verstehe. Und du kannst es mir erklären, bis ich schwarz werde – ich werde es mit Sicherheit alles verpatzen.«
Joanna starrte Deborah an, als ob sie jeden Moment vor Wut zu platzen drohte.
»Tut mir Leid«, sagte Deborah. »Ich bin nun mal kein Computer-Freak. Aber ich glaube wirklich, dass wir nicht so schnell aufgeben sollten. Schließlich wollen wir beide herausfinden, was aus unseren Eizellen geworden ist, und inzwischen ist mein Interesse noch größer geworden.«
»Muss ich dich wieder erst ausdrücklich bitten, mich einzuweihen?«, fragte Joanna entnervt.
Deborah sah verstohlen zu Mare und vergewisserte sich, dass sie sie nicht belauschte. Dann senkte sie die Stimme und berichtete Joanna von ihrem morgendlichen Gespräch mit ihrer Kollegin, bei dem sie erfahren hatte, dass im Labor offenbar nicht an Ova von Schweinen gearbeitet wurde, sondern an menschlichen Eizellen. Joanna war so perplex, dass sie ihr Horrorerlebnis sofort vergaß.
»Wie seltsam!«, staunte sie.
Deborah verzog das Gesicht. Seltsam war ihrer Meinung nach nicht annähernd das passende Wort für diese Ungeheuerlichkeit. »Ich finde es unglaublich!«, korrigierte sie ihre Freundin.
»Überleg doch mal! Die Klinik hat uns neunzigtausend Dollar für ein halbes Dutzend Eizellen gezahlt, und heute haben sie mir ein paar hundert hingestellt, damit ich mich daran versuche! Was den Transfer von Zellkernen angeht, bin ich
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