Cool Hunter
Tür standen.
»Okay.« Sie beugte sich vor und löste die Knoten in ihren Schnürsenkeln. »Hat das was mit Zen zu tun?«
»Nein, mit Sauberkeit.«
Lexa Legault saugte ihr Apartment jeden Tag mit einem kleinen Düsentriebwerk, bis sie so staubfrei war wie ein Biotech-Labor. Es hätte mich nicht gewundert, wenn sie ihre Gäste aufgefordert hätte, weiße Overalls und Masken anzuziehen, aber das hätte wahrscheinlich selbst sie übertrieben gefunden. Noch stellte Lexa (die Kurzform von Alexandra) keine eigenen Mikrochips her.
Allerdings schraubte sie ihre eigenen Rechner zusammen, die mit entblößtem Innenleben herumstanden und sich in einem Zustand permanenter Modifizierung befanden. In Lexas Wohnung galt Staub als extrem böse .
Obwohl Lexa uns über die Sprechanlage geöffnet hatte, ließ sie uns erst in die Wohnung, nachdem ich ihr per Klopfzeichen signalisiert hatte, dass wir unsere Schuhe ausgezogen hatten.
Sie trug blütenreine Khakis, ein enges rosa T-Shirt und ein Bluetooth-Headset im Ohr. Eine echte Nerd-Prinzessin mit allem, was dazugehört: dem schüchternen Lächeln, der dicken
Hornbrille, den kurz geschnittenen Haaren, dem Elfengesicht und dem Modegeschmack einer japanischen Teenagerin. Sie sah aus wie diese Frauen, die Modedesigner mit ein paar lockeren Strichen aufs Papier werfen.
Nachdem ich Lexa kennengelernt hatte, litt ich mehrere Monate lang unter akuter Verliebtheit, bis sie mir in einem schrecklichen Moment sagte, sie fände mich so süß, weil ich sie an sie selbst erinnern würde, als sie noch jünger und noch nicht so wahnsinnig abgeklärt gewesen sei. Ich ließ mir damals natürlich nichts anmerken, aber – autsch .
»Hi, Hunter.« Sie umarmte mich, ließ mich los und guckte dann über meine Schulter. »Oh, hey …«
»Jen«, half ich.
»Ach ja.« Sie nickte bedächtig. »Was du gestern gesagt hast, fand ich ziemlich gut, Jen. Sehr cool.«
Das verlegene Lächeln, das über Jens Gesicht huschte, gefiel mir mit jedem Mal besser. »Danke.«
Kaum waren wir in die Wohnung geschlüpft, schloss Lexa rasch die Tür hinter uns, um eventuell aufgewirbelte Staubpartikel auszusperren.
Ich reichte ihr den Pappbecher mit Kaffee, den wir als Gastgeschenk mitgebracht hatten. Lexa sagte immer, ihr Gehirn sei eine Maschine, die Kaffee in Spezialeffekte umwandelte.
Jen sah sich in dem High-Tech-Palast um, und ihre Augen wurden immer größer, während sie sich an das Dämmerlicht gewöhnten. Obwohl durch die schweren Vorhänge kaum Licht in die Wohnung drang (Sonnenlicht war genauso böse wie Staub), funkelte alles um uns herum. Lexa hatte sich ausschließlich mit Edelstahl-Küchenmöbeln eingerichtet, deren glänzenden Oberflächen die roten und grünen LEDs der verschiedenen
Geräte reflektierten, die gerade am Netz hingen und aufgeladen wurden: mehrere Handys, ein MP3-Player, drei Laptops und eine elektrische Zahnbürste, die neben der Küchenspüle stand. (Lexas Zähne blitzten trotz ihres Koffeinkonsums so strahlend sauber wie ihr Apartment.) Und natürlich standen mehrere Rechner herum, über deren ruhende Bildschirme bunte Lichtblasen schwebten, die sich wiederum im Metall der Möbel spiegelten. Jens WLAN-Armband blinkte begeistert. Als Lexa es bemerkte und anerkennend nickte, fühlte ich mich merkwürdigerweise persönlich geschmeichelt.
In einem die gesamte Länge einer Wand einnehmenden Edelstahlregal lagerten Speichererweiterungen, Laufwerke, externe Festplatten und diverse Kabel, die jeweils mit verschiedenfarbigen Stickern markiert waren. Auf dem obersten Regalbrett standen Dutzende von Elektrokaminen nebeneinander, in denen ein künstliches Feuer flackerte, das die Zimmerdecke in einen rosigen Schein tauchte.
Tja, der Grat zwischen cool und sonderbar ist manchmal hauchdünn. Ob man das eine oder das andere Etikett abbekommt, hängt letztlich von der Gesamtwirkung ab. Mich versetzte Lexas Wohnung – quasi ein Raum voller Kerzen, aber ohne Brandgefahr – jedes Mal in einen Zustand perfekter mentaler Gelassenheit. Man hatte das Gefühl, sich im Inneren eines riesigen meditierenden Kopfes zu befinden. Vielleicht also doch Zen.
Wenn man nicht den Stempel »sonderbar« aufgedrückt bekommen will, hilft es außerdem, richtig gut Geld zu verdienen. Und das tat Lexa. Sie hatte die berühmten Spezialeffekte wie das Zeitlupen-Kung-Fu und die Ballerorgien für die bereits erwähnte Sci-Fi-Trilogie mitentwickelt und war seitdem
so gut im Geschäft, dass sie das Cool Hunting nur noch als
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