Cool Hunter
kommt.«
»Wie es wozu kommt?«
»Wie etwas Cooles so schnell uncool werden kann. Ich meine, an einem Tag siehst du auf der Straße ein paar cholos , die Schürzen tragen. Und zehn Minuten später werden die Dinger bei Kmart verramscht. Mir war gar nicht klar, was für eine Riesenindustrie das ist. Ich hab gedacht, es wäre eine natürliche Entwicklung. Zum Teil wenigstens.«
Ich seufzte. »Ist es ja manchmal auch. Aber meistens wird der Natur nachgeholfen.«
»Verstehe. So wie bei Sonnenuntergängen durch Luftverschmutzung. «
»Oder Bananen durch Gentechnik.«
Sie lachte und guckte wieder auf ihre Schnürsenkel. »Okay, ich werd’s verkraften. Du weißt eben, wie man einer Frau Komplimente macht.«
Ich grinste glücklich – einer dieser typischen Aussetzer meines Ironie-Radars, die immer dann auftreten, wenn er am dringendsten gebraucht würde –, während folgende Fragen durch mein Gehirn ratterten: Fühlte sie sich wirklich geschmeichelt? Hatte ich sie missbraucht? Hatte ich es vermasselt? Und was war »es« überhaupt?
Um meine Verwirrung zu verbergen, scrollte ich zum nächsten Foto.
Es zeigte den Schuh.
Gefesselt von seiner Schönheit, schaltete mein Gehirn augenblicklich wieder vom Aufgewühlt- in den Bewunderungs-Modus um, und Jen und ich steckten noch einmal die Köpfe zusammen, um einen guten Blick auf das Display zu haben. Obwohl das Foto extrem dunkel und unscharf war, brachte es irgendwie immer noch die einzigartige Linienführung und Textur des Schuhs rüber.
Eine geschlagene Minute saßen wir so da und saugten gierig seine Herrlichkeit in uns auf, während um uns herum Loungemusik aus den Boxen plätscherte, Cappuccinos röhrend in Tassen schäumten und angehende Schriftsteller Romane schrieben, die in Cafés spielten. In dieser seligen Minute spürte ich, wie unsere Schultern praktisch miteinander verschmolzen und wie mir der Raub von Jens Schnürsenkel-Mojo vergeben wurde. So gut war der Schuh.
Irgendwann lösten wir uns blinzelnd und atemlos voneinander, als hätten wir nicht auf ein Handydisplay gestarrt, sondern uns die Lippen wund geküsst.
»Wann hat sie ihn fotografiert?«, fragte Jen.
Ich guckte aufs Datum. »Gestern. Ein paar Stunden vor der Coolnessprobe.«
»Sieht aus, als würde er auf einem Tisch stehen.«
»Ja, ich glaub, das ist der Schreibtisch in ihrem Büro.«
Der Schuh stand auf einer von Unterlagen übersäten Fläche, die ihrem Schreibtisch im Hochhausturm des Klienten nicht unähnlich sah.
»Und das bedeutet … was?«
»Tja, frag mich. Letztes Bild?«
Jen sah noch einmal voller Verlangen auf das Display, bevor sie nickte.
Ich scrollte. Das nächste Foto zeigte nichts. Oder etwas Entsetzliches. Verschwommene Dunkelheit, ein abstrakter Lichtstreifen quer über der einen Ecke. Grautöne in verschiedenen Abstufungen, die wie ein Tarnmuster fleckig übereinanderlagen. Entweder war es eine in Mandys Hosentasche entstandene Zufallsaufnahme – das visuelle Gegenstück zu den Zufallsanrufen, die Handys aus Langeweile manchmal machen
– , oder es zeigte, wie Mandy überfallen oder entführt oder wie ihr etwas noch Schlimmeres angetan wurde. Vielleicht hatte sie versucht, ein Beweisfoto zu machen, und das Handy dann in der Hoffnung, jemand würde es finden, weggeworfen.
Aber es war nicht viel zu erkennen.
»Zeig mal.« Jen zog meine Hand mit dem Handy bis fast vor ihre Augen. »Da ist ein Gesicht …« Sie ließ meine Hand kopfschüttelnd sinken. »Könnte jedenfalls eins sein. Was meinst du?«
Ich schaute mir das Bild noch einmal an. Irgendwo in dem Wirbel undefinierbarer Grautöne war etwas zu erkennen, das mein Gehirn, wenn ich es ließ, mit viel Mühe zu einem Gesicht zusammensetzen konnte.
Was mir ziemliche Angst machte und außerdem Kopfschmerzen. Ich warf einen Blick auf das Datum. »Okay, das wurde vor anderthalb Stunden aufgenommen.«
»Kurz vor elf? Um zehn nach war ich da.«
»Aber du hast nichts gesehen?«
Jen schüttelte den Kopf und starrte wieder auf das Display.
»Aber man kann das Foto doch auf einen Computer laden. Vielleicht gibt es ja irgendeine Software, mit der man es so bearbeiten kann, dass man mehr erkennt.«
Ich nickte. »Ich hab eine Freundin, die Spezialeffekte macht.«
»Was ist mit der Polizei, Hunter?«
Ich holte tief Luft. Lexa wohnte nur zwei Straßen weiter. Es würde nicht lange dauern.
»Da können wir nachher immer noch hin.«
Kapitel
ACHT
»Du musst die Schuhe ausziehen«, sagte ich zu Jen, als wir vor Lexas
Weitere Kostenlose Bücher