Cool Hunter
gelähmt, dann folgte ich
ihrem Blick zu meiner Schulter, wo ein langer, gezackter Riss im Stoff klaffte. Ich erinnerte mich daran, wie die Future-Sarcastic-Frau mich auf der Treppe an der Schulter gepackt und ich mich losgerissen hatte. Mir wurde schlecht.
»Scheiße.«
»Na ja …« – sie setzte sich auf und betrachtete mich kritisch – »… aber ansonsten sieht der Anzug echt noch voll okay aus.«
»Hallo? Das Jackett hat tausend Dollar gekostet!«
»Ja, Mann, das tut weh. Aber deine Fliege … echt tipptopp. Hast du die selbst gebunden?«
Kapitel
ZWANZIG
Tina Catalina empfing uns in Jogginghose und einem Schlafanzugoberteil, das mit japanischen Zeichentrickfiguren bedruckt war – mit schlecht gelaunten Pinguinen, freudestrahlenden Kraken und einem Kätzchen, das mit Vornamen auf ein weltweit gebräuchliches Begrüßungswort hört.
»Neue Frisur, Hunter?«
»Gut beobachtet. Du erinnerst dich doch bestimmt noch an Jen, oder?«
Tina blinzelte schlaftrunken. »Ach ja, von der Fokusgruppe gestern. Was du da gesagt hast, hat mir gut gefallen, Jen. Sehr cool.«
»Danke.«
Tina runzelte die Stirn. »Aber sag mal, deine Haare … waren die nicht irgendwie … länger?«
Jen fuhr sich reflexartig über ihren geschorenen Skalp. »Ich hatte Lust auf was Neues.«
»Verstehe.« Tina trat einen Schritt zurück und musterte interessiert meinen Smoking und Jens Prinzessinnenkleid. »Und nach dem gemeinsamen Friseurbesuch ging’s dann direkt zum Abschlussball? Gibt es die heutzutage überhaupt noch?«
»Eine Launchparty, um genau zu sein.« Ich nestelte an
meinem zerrissenen Tausend-Dollar-Ärmel. »War ein ziemlich langer Tag.«
»Ist nicht zu übersehen. Und was hat es mit den knallroten Händen auf sich? Soll das so ein Retro-Punk-Ding sein?«
»Ein Retro-Punk-Ding, genau.«
»Ganz niedlich, irgendwie.«
Tina führte uns in ihre rosafarben gestrichene Küche, in der brutal grelle Lichtverhältnisse herrschten. Der Raum war mit winkenden Glückskatzen aus Porzellan dekoriert, überall standen Kochutensilien in Form von japanischen Zeichentrickfiguren herum, und die Platte des kleinen Küchentischs war herzförmig.
Tina schaltete gähnend eine Kaffeemaschine an, die die Form eines grinsenden Froschs hatte.
»Haben wir dich aus dem Bett geholt?«, fragte Jen.
»Nein, ich war wach. Wollte gerade frühstücken.«
»Du meinst zu Abend essen?«
»Nein, frühstücken. Jetlag, du weißt schon.«
»Tina ist ein Flugmeilen-Junkie«, erklärte ich. »Ihre innere Uhr tickt noch nach Tokioer Zeit.«
Tina nickte schläfrig und holte eine Packung Eier aus dem Kühlschrank. Wegen ihres Jobs flog sie alle paar Wochen nach Japan, wodurch sie ständig mit unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten jonglieren und zwischen japanischen und amerikanischen Zeitzonen hin- und herschalten musste. Sie strukturierte ihr Leben um den Jetlag herum. Das gleißende Licht in der Küche stammte von speziellen Tageslichtlampen, die ihrem Hirn vorgaukelten, die Sonne würde scheinen. Ein großes Diagramm an der Wand dokumentierte den komplizierten Verlauf ihrer Schlafenszeiten.
Es war ein aufreibendes Leben, aber das Cool Hunting in Japan zahlte sich aus. Tina war dafür berühmt, als Allererste eine neue Spezies von Handys entdeckt zu haben, die sich in Amerika erst jetzt langsam durchsetzte. Halb Telefon, halb elektronisches Haustier, musste man es füttern (indem man eine bestimmte Nummer eintippte), seine sozialen Kontakte pflegen (indem man regelmäßig mit anderen Haustier-Handy-Besitzern telefonierte) und bespaßen (indem man lustige kleine Handygames mit ihm spielte). Im Gegenzug rief es seinen Besitzer regelmäßig an und schnurrte ihm Liebesbotschaften ins Ohr. Der Suchtfaktor wurde außerdem noch dadurch erhöht, dass alle registrierten Besitzer automatisch an einem globalen Wettbewerb teilnahmen – die Rangliste wurde minütlich aktualisiert – und diejenigen mit dem höchsten Punktestand Freiminuten gewannen, mit denen sie ihrer Leidenschaft noch obsessiver frönen konnten. In Japan war das Ganze mithilfe einer Open-Source-Software von Usern entwickelt worden, aber hier in den Staaten hatten sich die großen Handyprovider die Rechte gesichert und Tina war prozentual am Umsatz beteiligt.
Abgesehen vom finanziellen Aspekt war Tina verrückt nach allem, was niedlich und kulleräugig war, also nach allem, worauf die Japaner quasi das Monopol hatten.
Ihr Reiskocher, der rosa war und wie ein Häschen aussah, sagte mit
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