Cool Hunter
Raumes hingen das Impressum und die Titelseite. Die Überschriften lauteten: Mit exklusiven Bildern der Launchparty! Sonderausgabe nur für Abonnenten!
»Ausgabe Null.« Jen zeigte auf die rechte obere Ecke des Covers.
»Die Nullnummer ist normalerweise die Probeausgabe eines Magazins, mit der die Marktakzeptanz getestet wird. Aber von Hoi Aristoi gab es ja schon eine, und zwar die, die in den Goody Bags war – Ausgabe Nummer eins.«
»Also ist die hier nicht echt.«
»Nein, aber sie sieht verblüffend echt aus«, staunte ich. Von den kompromittierenden Fotos mal abgesehen, würde garantiert jeder darauf hereinfallen.
»Sieht so aus, als hättest du absolut recht gehabt – hier geht es nicht um Erpressung. Hier geht es um etwas, das noch viel abgefahrener ist. Aber was ?«
»Gute Frage.«
Wir sahen uns im Büro um. Die beinahe waagrecht durch die Fenster fallenden Strahlen der Spätnachmittagssonne tauchten das Loft in warmes Licht und machten die unvermeidliche Staubschicht auf den ausgeschalteten Computerbildschirmen sichtbar. High-End-Drucker warteten darauf, mit Endlosrollen von Papier gefüttert zu werden, große Festplattenlaufwerke blinkten im Stand-by-Modus, und mehrere Laptops standen zugeklappt um einen Pulk von WLAN-Stationen herum. Kein Zweifel: Wir befanden uns in der geheimen Kommandozentrale, an die die PooSham-Kameras die Partyfotos gesendet hatten.
Ich entdeckte ein paar alte von Futura Garamond designte
Magazine, den Dummy einer PooSham-Flasche und verschiedene Entwürfe für das Noble-Savage-Etikett. Der Rum war also auch gefaked gewesen. Ich fragte mich, wie hochprozentig er gewesen war und ob er womöglich außer Alkohol noch etwas ganz anderes enthalten hatte. Nichts deutete daraufhin, dass Movable Hype auch echte Auftraggeber hatte. Garamond schien ausschließlich für den Anti-Klienten zu arbeiten.
»Sieh dir das mal an.« Jen hielt einen dicken Stapel Ausdrucke auf Endlospapier in die Höhe. »Namen, Adressen und Telefonnummern.«
»Eine Adressenliste. Ich frage mich, ob das die Adressenliste ist.«
Jen sah mich an. »Du meinst, die von den Hoi Aristoi -Abonnenten? «
Ich nickte. »Schau mal, ob du Vivienne de Winter findest. Sie müsste unter W stehen, nicht unter D.«
Jen blätterte bis zum Ende der Liste. »Steht drin.«
»Dann ist sie es also wirklich.« Ich sah Jen über die Schulter, um mir die Adressen genauer anzuschauen. Es war genau, wie ich es mir gedacht hatte – jeder dritte Abonnent wohnte auf der Fifth Avenue. Bei ein paar stand noch nicht einmal eine Apartmentnummer dabei. In Manhattan ein eigenes Haus zu besitzen, war ungefähr so, als würde man einen eigenen Flughafen haben: Es bedeutete, dass man reich war. Richtig reich. Vivienne de Winter wohnte auch nicht übel – das Apartmenthaus auf der Upper East Side, in dem sie eine Wohnung hatte, war bekannt dafür, dass Filmstars, Ölscheichs und Waffenhändler dort residierten.
»Sie haben die Abonnentenliste gekauft«, sagte ich.
»Dann kann man davon ausgehen, dass alle ihre Feinde
eine Ausgabe bekommen werden.« Jen kicherte in sich hinein. »Wie zuvorkommend.«
»Und natürlich auch alle Leute, die eine Probeausgabe bestellt haben. Damit sie mal mit eigenen Augen sehen, wie es bei den oberen Zehntausend wirklich zugeht. Und ich wette, dass sie der Presse auch ein paar Hefte schicken.« Ich schüttelte den Kopf. »Aber was bezwecken sie damit? Sie werden das ganze Geld ja wohl nicht nur ausgegeben haben, um sich einen kleinen Scherz zu erlauben.«
Jen nickte nachdenklich. »Was hast du noch mal zu mir gesagt, nachdem Mandy auf dem Treffen der Fokusgruppe meinetwegen so genervt war? Man braucht Talent, um Menschen zu irritieren?«
»Genau.« Ich schaute mich um. »Was das angeht, ist Garamond extrem talentiert, so viel steht fest.«
»Und er hat einen Plan, den ich so langsam durchschaue. Mehr oder weniger jedenfalls.«
»Wenn du vielleicht die Güte hättest, mich an deiner Erkenntnis teilhaben zu lassen.«
Jen schüttelte den Kopf. »Ich bin mir noch nicht hundert Prozent sicher. Aber wir kommen der Sache allmählich näher. Wenn wir nur wüssten, wer sonst noch dahintersteckt.« Sie deutete auf die Liste. »Was schätzt du, wie viel man für so was hinlegen muss?«
Ich blätterte durch den Papierstapel und dachte über ihre Frage nach. Die meisten Zeitschriften – egal ob die Leser Snowboardfahrer, Frettchenhalter oder Technik-Freaks sind – machen mehr Geld durch den Verkauf ihrer
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