Cool
dem Hotel Méridien. An der Ecke kontrollieren zwei Polizisten die Führerscheine von drei Motorradfahrern. Dann springt die Ampel auf Grün.
Der Algerier fährt rund um den Block. Durch die Avenue des Phocéens, über die Place Masséna, durch die Rue Gioffredo und die Rue St.-Michel. Der Renault 4 hält an der Kreuzung der Rue Gustave-Deloye und der Rue de l’Hôtel-des-Postes. Der Algerier zieht den Zündschlüssel heraus, und beide Männer verlassen das Fahrzeug. Sie bewegen sich schnell, versuchen aber, so natürlich wie möglich zu wirken. Als hätten sie alles Recht der Welt, hier zu parken. Auf der anderen Straßenseite sitzen die abendlichen Stammgäste in der »Taverne Alsacienne< beim Gewürztraminer. Sie beobachten gelangweilt die Männer.
Der Algerier stellt ein blaues Licht und das Schild »Vorsicht- Bauarbeiten« auf. Capitaine V. öffnet die Rückseite des Autos und holt einen Pickel heraus. Er stemmt damit den Kanaldeckel hoch, der die Marke >Pontamousson< trägt. Dann steigt er durch die Öffnung.
Der Algerier bewegt den hydraulischen Heber mit unglaublichem Kraftaufwand. Er wiegt mindestens einen Zentner. Vorsichtig läßt er ihn durch das geöffnete Kanalgitter in den Schacht gleiten.
Capitaine V. übernimmt die Last und gibt sie dann weiter an die Männer, die im Kanal warten. Dann steigt er wieder auf die Straße zurück und verschließt den Deckel.
Die beiden Männer in den Overalls entfernen das Blaulicht und das Straßenschild. Der Algerier startet den Motor und fährt los.
Der Renault 4 hat genau sechsundzwanzig Sekunden an dieser kritischen Stelle geparkt.
Im Kanal wird das Licht wieder angeschaltet. Der Chinese und der Korse tragen den Hebebaum auf ihren Schultern. Schweigend und behutsam bringen sie ihn bis zum Eingang des Tunnels. Der >Maurer< dirigiert sie. Sein Daumen ist bandagiert, und sein Arm hängt in einer Schlinge. Sie rollen den Heber über den Sisalteppich und schieben ihn bis zu dem Loch in der Tresorwand. Roger, der Sträfling mit dem Urlaubsschein, stellt eine Verankerung für den Hebebaum her. Er hat einen schweren Balken dafür gewählt, den er zwischen Boden und Decke im Tunnel verkeilt.
Spaggiari und P. stemmen den Heber hoch und drücken sein Ende gegen die Holzverankerung und den Hebebaum, durch das Loch der Tresorwand, gegen den Stahlschrank. Der Chinese pumpt den Heber mit aller Kraft, die Spitze bewegt langsam den Dreißig-Tonnen-Stahlschrank und drückt ihn beiseite. Spaggiari und P. lassen den Hebebaum los. Er sitzt fest.
Der Chinese pumpt weiter. Das Ungetüm muß fünfzig Zentimeter weit weggehievt werden, um den Männern genügend Platz zu lassen. Spaggiari hat das genau ausgerechnet. Denn etwas mehr - und der Panzerschrank würde nach vorn kippen und auf den Boden stürzen. Dem Chinesen rinnt der Schweiß in Strömen über das Gesicht. P. hat nachgemessen, und der Abstand zwischen Schrank und Wand stimmt genau. René hält einen fünfzig Zentimeter langen Stützbalken bereit. »Okay, das reicht«, sagt P. Das Monstrum hat sich zweiundfünfzig Zentimeter nach vorn geneigt. René schiebt seinen Balken parallel zum Hebebaum dazwischen, und der Chinese läßt mit dem Druck nach, bis das Gewicht auf dem Stützbalken ruht.
Das Holz ächzt und knackt, aber es hält. Der Chinese setzt den hydraulischen Heber auf den Boden zurück. Spaggiari kriecht durch das Loch in den Tresorraum.
V.
DIE ERNTE
Eine Porno- und Paté-Party für Gangster-Millionäre
Schlagzeile im Londoner >Daily Express<
Sonntag, 2 Uhr
Spaggiaris Taschenlampe streift über die spärliche Einrichtung im Tresorraum: Stahltische, alte Stühle, Panzerschränke. Eine tote Welt. Henri der Schweißer kriecht als nächster durch das Loch, das Schweißgerät und zwei Gasflaschen schleppt er hinter sich her. Er weiß, was er zu tun hat. Schnell, ohne zu sprechen, durchquert er den Tresorraum. Konzentriert wendet er sich dem Rahmen der Tresortür zu. Falls jemand von der Bank am Sonntag in den Tresorraum will, wird er die Tür verschlossen finden. Die >Kanalratten< würden inzwischen genügend Zeit haben, zu verschwinden. Der Korse schmiert frischen Zement um den Türrahmen und dichtet alle Lücken ab. Das gleiche macht er mit den Ventilationsgittern, die in die Tresorwände eingelassen sind. Nun kann kein Licht, kein Rauch, kein Laut mehr an die Außenwelt dringen.
Erst jetzt schaltet Spaggiari das volle Licht an. Der Rest der Mannschaft kommt mit dem nötigen Werkzeug nach.
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