Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coolman und ich (German Edition)

Coolman und ich (German Edition)

Titel: Coolman und ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rüdiger Bertram
Vom Netzwerk:
gut. Hab die gestern gesehen. Im Theater. Tolle Inszenierung!«, brummt er und starrt noch eine Weile auf das Bild. »Na gut, weil du es bist.«
    Der Kerl schiebt dem Dicken hinter dem Tresen zwei Euro für die Cola rüber und steckt den Rest ein. Dann lässt er sich von seinem Hocker gleiten, murmelt »Warte hier!« und verschwindet durch die Klotür.
    Während ich wie befohlen warte, nippe ich an meiner Cola und frage mich, wie es weitergeht, wenn der Kerl jetzt mit meinem Geld einfach abhaut. Als ich schon ganz sicher bin, dass er nicht mehr zurückkommt, geht die Tür auf. Der Sonnenbrillentyp steigt neben mir auf den Hocker und schiebt einen Briefumschlag aus grauem Recyclingpapier zu mir herüber.
    »Mehr ist für die paar Kröten nicht drin.«
    »Klar doch. Versteh ich natürlich. Kein Problem«, stammele ich und stecke den Umschlag schnell ein, ohne hineinzuschauen. »Vielen Dank.«
    »Brauchst du auch noch ’ne Knarre? Kostet natürlich extra!«
    »Wie bitte?«
    »’ne Wumme, ’nen Ballermann, ’nen Engelmacher?«
    »Eine Pistole?! Nein danke. Nicht nötig! Im Augenblick jedenfalls nicht. Aber trotzdem danke für das Angebot. Sehr freundlich.«
    Der Typ winkt nur ab und starrt wieder an die Wand.
    Ich habe es plötzlich ganz eilig, an die frische Luft zu kommen. Mit einem höflichen »Einen schönen Tag noch« verabschiede ich mich und laufe schnell rüber zum Bahnhof. Ich mache es genau wie die Gangster: Ich verschwinde einfach mit dem nächsten Zug.

    Coolman
hat recht. Es war wirklich ganz einfach. Vielleicht sollte ich tatsächlich Gangster werden. Talent dafür scheine ich ja zu haben, sonst hätte mir der Typ mit der Sonnenbrille nicht aus der Hand gefressen.
    Das Gute am Gangstersein ist, man braucht keine Fahrkarte. Gangster fahren immer schwarz, und das ist ziemlich praktisch, weil ich sowieso kein Geld mehr habe, um mir eine zu kaufen.
    Ich steige in den nächsten Zug, der am Gleis schon auf das Signal zum Abfahren wartet. Keine Ahnung, wo der hinfährt. Ist ja auch egal.
    In einem freien Abteil verstaue ich meinen Rucksack in der Gepäckablage. Als der Zug anfährt, krame ich den grauen Umschlag hervor. Ich bin furchtbar neugierig, unter welchem Namen ich mein spannendes neues Leben beginnen werde.
    Die Spannung hält nicht lange an. In dem Umschlag steckt ein Ausweis der Stadtbücherei, der auf den Namen Adolf Schmitz ausgestellt ist. Adolf Schmitz wohnt im Seniorenheim
Das letzte Bett
und der Ausweis ist noch bis November dieses Jahres gültig. Ich bezweifle, dass man darauf eine neue Existenz aufbauen kann.
    Bis zur nächsten Station muss ich noch mitfahren, ehe ich wieder aussteigen kann. Wenigstens kommt kein Schaffner und das ist immerhin schon etwas.
    Jetzt, wo meine Gangsterkarriere so jäh beendet ist, traue ich mich nicht, ohne Fahrkarte nach Hause zurückzufahren. Also laufe ich. Das sind höchstens zehn Kilometer. Mehr als zwei Stunden werde ich dafür sicher nicht brauchen. Vielleicht schaffe ich es sogar in einer Stunde und fünfzig Minuten.

8. Kapitel
    Jeden Tag eine gute Tat
    Ich brauche keine zwei, sondern satte drei Stunden nach Hause. Schon auf den ersten zwei Kilometern habe ich mir eine dicke Blase an der rechten Ferse gelaufen. Schuld daran ist natürlich
Coolman
, den ich die ganze Zeit hinter mir herziehen muss, weil er sich weigert, aus dem Bollerwagen wieder auszusteigen. Bei dem zusätzlichen Ballast ist es kein Wunder, dass ich eine Blase habe, die so groß ist wie eine Scheibe Blutwurst und auch genauso aussieht.
    HALT! HALT! HALT!
    »Ganz ruhig, Kai! Ganz, ganz ruhig!«, versuche ich mich zu beruhigen.
    Ich werde langsam verrückt!
Coolman
existiert doch gar nicht! Ich meine, nicht wirklich. Wie soll er da an meiner Blase schuld sein?
Coolman
ist das Ergebnis meiner Fantasie. Er ist eine Illusion, eine Fata Morgana, ein Hirngespinst, eine Wahnvorstellung, ein Traum. Irgend so etwas in der Art.
    »Er ist nicht echt! Er ist nicht echt! Er ist nicht echt!«, wiederhole ich dreimal, um sicherzugehen, dass ich nicht tatsächlich noch anfange zu spinnen.

    Wahrscheinlich bin ich längst übergeschnappt und habe es nur noch nicht gemerkt.
    Müde humpele ich die Straße entlang, an der unser Haus liegt. Ich fühle mich wie ein Krieger, der nach einer verlorenen Schlacht geschlagen heimkehrt.
    Die Schaukel steht noch immer im Nachbargarten. So weit, so bekannt. Vor unserer Haustür aber türmt sich ein Haufen blauer Müllsäcke. Es sind viel mehr als die paar, die ich

Weitere Kostenlose Bücher