Coolman und ich (German Edition)
hinter mir und gehe durch den zerpflügten Garten, ohne mich noch einmal umzusehen.
Als ich das Ende der Straße erreicht habe, weiß ich nicht weiter. Wohin jetzt? Auch
Coolman
ist keine echte Hilfe. Ich glaube, er kennt gar keine Gangster, für die es ein Klacks wäre, mir einen Pass zu besorgen. Einen Pass, mit dem ich ein neues Leben anfangen könnte. Irgendwo, wo mich keiner kennt.
In den Krimis, die ich mit Anti abends im Fernsehen gucke, wenn Mama und Papa auf der Bühne stehen, hocken solche Gangster immer in so schmierigen Kneipen am Bahnhof und planen dort ihre nächsten Raubzüge. Keine Ahnung, warum das immer Bahnhofskneipen sind. Vielleicht, damit sie schnell abhauen können, wenn die Polizei eine Razzia macht. Dann laufen die Gangster einfach raus und springen in den nächsten Zug. Was nicht so besonders clever ist, weil die Züge meistens Verspätung haben. Aber wer sagt schon, dass Gangster clever sind. Wenn sie clever wären, wären sie Bankdirektoren. Dann hätten sie ein Auto mit Chauffeur und bräuchten sich nicht auf die Bahn zu verlassen.
Gegenüber von unserem Bahnhof gibt es tatsächlich eine Kneipe und die sieht schon von außen ziemlich schmierig aus. Das braune Milchglas in den Fenstern erlaubt keinen Blick ins Innere, deswegen bin ich nicht sicher, ob da tatsächlich Gangster drinhocken.
Ich bin schon zu weit gegangen, als dass ich einfach wieder umdrehen könnte. Ich nehme all meinen Mut zusammen und drücke die Klinke herunter. Es dauert einen Moment, bis sich meine Augen an das Halbdunkel gewöhnt haben. Hinter dem Tresen steht ein dicker Mann und trocknet mit einem dreckigen Handtuch Gläser ab. Vor ihm hockt ein anderer Mann mit einer Sonnenbrille unter einem »Rauchen verboten«-Schild und pafft an einer Zigarre. An einem der wenigen Tische sitzen drei weitere Männer und spielen Skat. Für einen kurzen Augenblick unterbrechen sie ihr Spiel und sehen mich an. Dann konzentrieren sie sich wieder auf ihre Karten.
Ich gehe zum Tresen und erklimme einen der Barhocker, die dort stehen.
»Eine Cola, bitte«, sage ich zu dem Dicken mit dem Handtuch und versuche dabei, so erwachsen wie möglich zu klingen.
Der Dicke nickt nur und schüttet mir die Cola in ein fleckiges Glas, an dessen Rändern gelbe Zitronenreste kleben. Ich hätte gerne einen Strohhalm, traue mich aber nicht, zu fragen. Der Kerl mit der Zigarre auf dem Hocker neben mir hat mich die ganze Zeit noch nicht einmal angeschaut. Durch seine Sonnenbrille starrt er auf die Wand gegenüber. Ich folge seinem Blick, kann dort aber außer einem Haufen Fliegendreck nichts Interessantes entdecken. Vielleicht ist der arme Mann blind.
Hinter ihrem Tisch geht es zu den Toiletten. Es gibt nur eine Tür und die führt zu den Männerklos. Das kann man sehen, weil da ein Messingschild drauf ist, das einen Jungen auf einem Töpfchen zeigt. Das finde ich etwas seltsam. Noch seltsamer aber finde ich, dass es nirgendwo ein Damenklo gibt. Der Laden ist scheinbar nur etwas für echte Kerle.
Endlich dreht sich der Kerl mit der Sonnenbrille zu mir um und fragt: »Probleme?«
»Ich nicht«, antworte ich und bin plötzlich ganz stolz, weil mir eine tolle Idee gekommen ist. »Aber ein Freund von mir. Der muss schleunigst verschwinden von hier, um irgendwo anders ganz von vorne anfangen zu können.«
»Dazu braucht er aber neue Papiere«, fahre ich supercool
fort, als hätte ich nie etwas anderes gemacht, als mir in schmierigen Kaschemmen falsche Pässe zu beschaffen.
»Wie viel?«, fragt der Kerl mit der Sonnenbrille und starrt wieder an die Wand.
»Ein Pass reicht völlig«, erwidere ich und spucke auf den Boden neben mir, um noch cooler zu wirken.
»Hey, was soll das?! Hier wird nicht gespuckt! Los, aufwischen!«, mischt sich der Dicke ein und wirft mir sein Handtuch ins Gesicht.
Als ich fertig bin und wieder oben auf dem Hocker sitze, dreht sich der Sonnenbrillentyp wieder zu mir um.
»Ich meine, wie viel Geld hast du?«
»29,45 Euro. Wenn ich die Cola bezahlt habe, etwas weniger«, antworte ich.
Sogar die Kartenspieler fangen an zu lachen.
»Gib her!«, sagt der mit der Sonnenbrille.
Ich hole das Geld heraus und lege es auf den Tresen. Dabei fällt auch der Zeitungsausschnitt mit dem Bild meiner Eltern auf den Boden. Ehe ich mich bücken kann, hat der Typ neben mir ihn aufgehoben.
»Kennst du die beiden?«, fragt er, während er auf das Foto mit meinen nackten Eltern starrt.
»Das sind meine Eltern«, sage ich.
»Die waren
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