Cop
Preisschilds aussieht.
»Was ist daran so lustig?«, fragt Ian.
Donald schüttelt den Kopf. »Gar nichts. Es ist nur … Na ja, die Beschreibung passt auf die Hälfte aller fetten alten Alkoholiker in dieser Stadt. Mindestens.« Als er zwischen Ian und Davis hin und her blickt, kann er das Grinsen nicht mehr unterdrücken. »Verdammt, die Beschreibung passt perfekt auf meinen Bruder Henry!«
Davis schnaubt. »Hast recht. Wie geht’s ihm eigentlich? Ich hab das Gefühl, wir haben uns seit der Highschool nur noch zwischen Tür und Angel gesehen.«
»Ich glaub, ihm geht’s ganz gut.«
»Arbeitet er noch beim College?«
»Ja, schon.«
»Okay«, meint Ian. »Sollte dir ein Mädchen auffallen, das meiner Tochter ähnelt, rufst du mich sofort an. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.«
»Mach ich.« Donald wischt sich über die verschwitzte Oberlippe und trocknet seine Hand am Hosenbein. »Mach ich.«
Wieder treten Ian und Chief Davis in den grellen Nachmittag hinaus. Selbst als er seine Sonnenbrille aufsetzt, ist es Ian noch zu hell. Erdrückende Hitze umschließt sie wie ein Wall. Ian greift in die Plastiktüte und nimmt sich eine Zigarre heraus. Er beißt das Ende ab, spuckt es auf den Parkplatz und schiebt sich das Ding in den Mund. Als er sich Feuer gibt, blickt er an der Zigarre entlang auf Diego, der mit verschränkten Armen zusieht, wie einer der Jungs aus Mencken das Münztelefon auf Fingerabdrücke untersucht.
Kurz darauf rollt der Sheriff persönlich an. Nachdem sein Dienstwagen, ein Ford Expedition, vom Tonkawa County gestellt, mit quietschenden Reifen zum Stillstand gekommen ist, steigt er aus – 1,68 Meter groß, 118 Kilogramm schwer, das ist Sheriff Sizemore. Auf dem Weg zu Ian und Chief Davis schwingt sein Bauch hin und her wie eine Abrissbirne.
Ian wirft einen Blick auf die Uhr.
»Ich lass euch beide mal allein«, sagt er zu Davis. »Ich muss Debbie informieren. Sag Bescheid, wenn es was Neues gibt.«
»Natürlich.« Davis klopft ihm auf die Schulter. »Und schau doch heute Abend im Roberta’s vorbei. Du solltest jetzt wirklich nicht allein sein.«
»Ja, vielleicht«, meint Ian, während er denkt: Sicher nicht.
Als Maggie die Augen öffnete, sah sie nichts als weiß. Weiß, weiß, weiß – die Zimmerdecke. Ihre Zunge wanderte zu ihrem Wackelzahn. Aber da war kein Zahn mehr, nur weiches, nasses Zahnfleisch und eine kleine, blutige Mulde, in der es ein bisschen nach Metall schmeckte.
Irgendwer hat meinen Zahn gestohlen, dachte sie – und plötzlich war ihr alles klar: Die Zahnfee ist da gewesen! Aber sie hat selbst nichts dagelassen. Also hat sie Maggie beklaut.
Das heißt … Vielleicht hat sie ja doch was dagelassen! Aber als Maggie sich zur Seite rollte und das Kissen wegschleuderte, sah sie bloß das zerknitterte Laken. Keine grüne Dollarnote, nicht mal eine lausige Münze. Was für eine Unverschämtheit! Da hat sich die Zahnfee mitten in der Nacht in ihr Zimmer geschlichen und ihr den Wackelzahn aus dem Mund gerissen, ohne zu bezahlen! Kurz überlegte sie, einen falschen Zahn unter dem Kissen zu deponieren, vielleicht ein Stückchen Kreide oder einen weißen Stein, der aber genau die richtige Größe haben musste. Dann könnte sie sich hinlegen und die Augen schließen, und wenn die Zahnfee kommt, würde sie sie packen und sie zwingen, die Belohnung, die ihr zustand, herauszurücken.
Im selben Moment sah sie etwas Weißes auf dem Boden blitzen, zur Hälfte im flauschigen Teppich versunken – der Zahn! Maggie sprang aus dem Bett und hob ihn auf, wischte die Flusen herunter und hielt ihn in die ersten Strahlen der Morgensonne, die durchs offene Fenster ins Zimmer fielen. Wie riesig er war! Und wie tief er in ihrem Kiefer gesteckt haben musste. Ziemlich eklig eigentlich, aber irgendwie auch toll. Als sie mit der Zunge in der Zahnlücke herumtastete, entdeckte sie ein seltsames Hautläppchen, das sich vor- und zurückklappen ließ. Ein komisches Gefühl. Maggie rannte zum Spiegel und strahlte sich an, bevor sie die Tür aufriss und rüber zu Mommy und Daddy lief, um es ihnen zu zeigen.
»Schaut mal!« Sie schoss ins Schlafzimmer wie eine menschliche Kanonenkugel, und die Tür schwang auf und knallte gegen die Wand. Die Vorhänge waren noch geschlossen und hielten das Tageslicht eher schlecht als recht zurück. Es roch merkwürdig im Zimmer, irgendwie erwachsen. Die Luft war stickig und warm, wie in einem Schlafsack, wenn man den Reißverschluss bis nach oben hin
Weitere Kostenlose Bücher