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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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Roberta noch zusammen in einem Haus im Südteil der Stadt, gleich hinter der Clamp Avenue. Ein Nachbar hatte angerufen, der Lärm sei unerträglich. Diego klopfte an die Tür, Roberta öffnete ihm. Eine Maske aus Blut bedeckte die untere Hälfte ihres Gesichts, um ihr linkes, tränennasses Auge hatte sich eine Schwellung gebildet, die entfernt an den abnehmenden Mond erinnerte. Währenddessen saß Jimmy schweigend am Esstisch. Als Diego rüberging, um ihn mitzunehmen und seiner Frau zumindest eine Nacht Ruhe zu verschaffen – immerhin war er diesen Monat schon zum dritten Mal hier –, schnappte sich Jimmy eine Rolle Stacheldraht, die vor ihm auf dem Tisch lag. Eigentlich wollte er damit am nächsten Tag die Regenwurmzucht hinter seinem Angelladen einzäunen, damit sich die Kinder auf dem Weg zum Speichersee nicht mehr einfach so von seinem Eigentum bedienen konnten; stattdessen schleuderte er den Stacheldraht auf Diegos Gesicht. Ein Stachel bohrte sich knapp einen Zentimeter neben seinem linken Auge in die Haut. Jimmy kam nicht für eine Nacht hinter Gitter, sondern für sechs Monate.
    Und Roberta nutzte die Gelegenheit, um sämtliche Schlösser auszutauschen und die Scheidung einzureichen.
    Ian steigt aus dem Wagen, hinein in die Hitze des Nachmittags. Er schnippt die Asche vom Ende der Zigarre, steckt sich den Stummel zurück in den Mund und kaut darauf herum.
    Während Chief Davis hinter Ian auf den Parkplatz fährt und den Wagen neben seinem Mustang abstellt, blinzelt Diego in seine Richtung. »Alles in Ordnung mit dir?«
    »Nein. Bewachst du das Telefon?«
    »Ja. Könnten schließlich Fingerabdrücke drauf sein. Der Sheriff schickt vermutlich ein paar Jungs vom County vorbei, um das Ding abzupinseln.«
    »Wollte denn irgendwer telefonieren?«
    Diego schüttelt den Kopf. »Hast du Lust, später zum Abendessen vorbeizukommen? Cordelia würde sich freuen.«
    »Danke, aber mir ist jetzt nicht nach Gesellschaft.«
    »Bist du sicher, dass du heute Abend allein sein willst?«
    »Ja.«
    Chief Davis stellt sich neben Ian und legt ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich schau mich mal nach Zeugen um, bevor sich Sizemore auf die Leute stürzt und alles versaut.«
    »Ich komm mit.« Ian lässt die Zigarre fallen und zerdrückt sie mit dem Absatz auf dem Boden.
    »Die Einladung steht«, sagt Diego.
    »Ja, danke.«
    Ians Blick bleibt an dem Münztelefon hängen. Er weiß nicht, warum, aber am liebsten würde er sich den Hörer ans Ohr pressen – als wäre Maggie noch da, als könnte er noch einmal ihrer Stimme lauschen. Sie war erst vor Kurzem hier. Von diesem Telefon aus hat sie ihn angerufen.
    »Okay«, meint Davis. »Dann hören wir uns mal ein bisschen um.«
    Zuerst nehmen sie sich den kleinen Schusterladen vor. Auf den Regalbrettern an der Wand warten Schuhe, die zur Reparatur abgegeben und nie abgeholt wurden: weiße Lederslipper mit Goldschnallen, fein gemusterte Schlangenlederstiefel, frisch besohlte Budapester und niedrige Rodeostiefel, alle mit weißen, in blauer Tinte beschrifteten Preisschildern versehen.
    Hinter der Theke am Ende des schmalen Raums steht ein alter Mann mit gebeugten Schultern und einem knorrigen Gesicht wie ein Kerngehäuse, das längere Zeit in der Sonne gelegen hat. Als er sie mit einem strahlenden Lächeln begrüßt, gerät der obere Teil seines schlecht sitzenden Kunstgebisses ins Rutschen. Schnell schlägt er die Kiefer aufeinander – klack! – und kaut auf den Prothesen herum, um sie wieder halbwegs in Position zu bringen. Seine Hände ruhen auf der hölzernen Arbeitsplatte, schwarze Schuhcreme klebt in den fein gekräuselten Hautfalten seiner Daumen und unter den Fingernägeln. Ein glänzendes Putztuch liegt griffbereit zu seiner Rechten, neben einer Dose Politur und einem Paar blitzsauberer Schuhe.
    Als er das Gebiss gerichtet hat, fragt er: »Womit kann ich dienen?«
    Gleichzeitig senkt sich sein Blick von ihren Gesichtern auf ihre Füße. Kein Zweifel, die Schuhe sind der Maßstab, nach dem er die Menschen bewertet. Er runzelt die Stirn. Offensichtlich erfüllen weder Ian noch Chief Davis seine Mindestanforderungen.
    »Einmal Schuhe putzen vielleicht?«
    »Haben Sie draußen einen Tumult mitbekommen?«, fragt Davis. »Vor etwa zehn, fünfzehn Minuten?«
    »Einen Tumult?«
    »Haben Sie irgendwas gehört?«
    »Vielleicht einen Schrei?«, ergänzt Ian. »Oder ein kleines Gerangel?«
    Der alte Mann schüttelt den Kopf.
    »Gar nichts?«
    »Leider nein.«
    Ian zieht seinen Geldbeutel aus

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