Cop
Streichelzoo.«
»Sicher?«
»Klar.«
»Sicher sicher?«
»Sicher sicher sicher.«
»Versprochen?«
»Ehrenwort. Und jetzt iss deine Fruit Loops. Sonst sind sie noch total durchgeweicht.«
»Du bist der beste Daddy der W…«
»Wach auf, Sarah.«
Eine bekannte Stimme gurgelt aus sumpfigen Tiefen an ihr Ohr.
Jemand atmet ihr Zwiebelgeruch ins Gesicht. Dann ein lautes Schluckgeräusch.
Und ein hohles Knacken, als wäre etwas Kleines zu Bruch gegangen. Ammoniakgestank steigt ihr in die Nase, mit zitternden Lidern öffnet sie die Augen. Über ihre Wangen rinnt eine warme Flüssigkeit.
Es ist so dunkel, dass sie keine klaren Formen ausmachen kann. Nur einen Schatten direkt vor ihr, ein Loch in der Wirklichkeit, wie mit der Schere herausgeschnitten. Der Schatten ähnelt einem Menschen, doch wegen des grellen weißen Lichts im Hintergrund kann sie nichts weiter erkennen. Sie schließt die Augen, öffnet sie wieder. Ihre Pupillen verengen sich, um sich an die Helligkeit anzupassen. Langsam gewinnt der Schatten Kontur, Details und Farben bilden sich heraus, er wächst in die dritte Dimension. Es ist ein Mann. Ein Mann, den sie kennt, mit einem Namen: Henry. Als sie ein weiteres Mal blinzelt, sieht sie ihn endlich völlig klar. Er steht vor ihr, seine Arme hängen seitlich herab, seine Fäuste öffnen und schließen sich.
Jetzt greift er in seine Hemdtasche, zieht eine dünne Rolle heraus und drückt sich eine kleine weiße Scheibe in den Mund. Er kaut und schluckt.
Ein höllischer Schmerz pocht in ihren Handgelenken. Sie spürt, wie warmes, dickes Blut über ihre Arme fließt. Als sie nach oben schaut, sieht sie das grobe gelbe Seil, mit dem ihre Handgelenke gefesselt sind. Das Seil ist um einen großen, in den Deckenbalken geschraubten Metallhaken geschlungen. Oberhalb der Fesseln spürt sie überhaupt nichts mehr. Ihre violett angeschwollenen Finger krümmen sich, dass ihre Spitzen sich beinahe berühren. Maggie weiß, wo sie ist: Sie hängt am Bestrafungshaken. Böses Mädchen, du warst ein böses Mädchen, Sarah. Der Anblick ihrer Finger erinnert sie an ein Spiel aus dem Kindergarten: Himmel und Hölle …
Tief unter ihren baumelnden Füßen sieht sie den grauen, rissigen Betonboden.
Henry steht da und starrt sie an, und seine Fäuste öffnen und schließen sich, öffnen und schließen sich. Er pult mit der Zunge in einem seiner Backenzähne und atmet immer schwerer, immer schneller und lauter. Ein seltsames Schnaufen.
»Es tut mir leid«, sagt sie. »Wirklich.«
Das Schnaufen verstummt. Stille.
»Du lügst«, sagt er dann.
»Nein, es tut mir wirklich leid.«
»Was tut dir leid?«
Eins zwei drei vier fünf sechs sieben acht.
Maggie schaut sich um. Vielleicht ist Borden in der Nähe. Sie will jetzt nicht allein sein, allein mit Henry. Vielleicht versteckt sich Borden irgendwo im Dunkeln? Nicht, dass er sie vor der Bestrafung bewahren könnte, die sich Henry für sie ausgedacht hat. Aber es wäre beruhigend, wenn er jetzt bei ihr wäre.
Sie sieht ihn nicht.
Plötzlich presst sich eine Hand auf ihr Gesicht. So fest, dass ihr die Tränen in die Augen schießen und der Schmerz in der Beule über ihrem Ohr zu pulsieren beginnt. Sie hatte ganz vergessen, dass Henry sie dort erwischt hat. Jetzt spürt sie die Stelle mit jedem Herzschlag.
»Ich hab dich was gefragt. Was tut dir leid?«
Wieder schaut sie auf ihre Füße. Wie dreckig ihre Zehen sind, richtig schwarz. Wenn sie den Schmerz vergisst, kann sie sich einreden, sie würde über dem Boden schweben. Sie schwingt leicht hin und her, der längliche Riss im Beton unter ihr pendelt von der einen auf die andere Seite. Tu einfach so, als würdest du schweben, ganz leicht und unbeschwert.
Da schnellt seine Hand nach vorne. Instinktiv zuckt sie zurück, aber Henry erwischt sie doch. Er verpasst ihr eine Ohrfeige, ein schneller Peitschenschlag mit seinen Fingerspitzen, und reißt ihr Kinn nach oben, damit sie ihm direkt in die Augen schaut, in diese tiefen, dunklen Pfützen ohne jedes Mitgefühl, ohne jede Menschlichkeit. Wie sie diese Augen hasst.
»Du hast es wohl vergessen.«
»Was?«
»Was dir leidtut.«
»Dass ich …« Sie leckt sich über die trockenen, aufgeplatzten Lippen. »Dass ich weggelaufen bin.«
»Unsinn. Es tut dir leid, dass ich dich erwischt hab.«
»Nein!«
»Ach, dann wolltest du also erwischt werden?«
Wieder werden ihre Augen feucht. Sie schaut zur Seite und blinzelt. Sie will nicht heulen, nicht jetzt, nicht vor ihm, sie
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