Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cop

Cop

Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
Vom Netzwerk:
Wenigstens hat sie ihm zwei eingeschweißte Schokomuffins dazugepackt. Missmutig rollt er die Tüte zusammen und schnappt sich das Sixpack, das er zu Mittag angebrochen hat. Er hakt den Zeigefinger in den leeren Plastikring und lässt die übrigen fünf Biere von den Schlaufen baumeln.
    Kurz darauf tritt er ins Licht des Spätnachmittags. Lange Schatten strecken sich über den Boden. Er stapft die Treppe hinunter und quer über die Einfahrt zum Pick-up, öffnet die Tür, schiebt sich hinters Steuer und wirft seine Brotzeit auf den Beifahrersitz. Dabei reißt er ein Bier aus der Plastiklasche. Als er die Dose öffnet, sprudelt ihm der Schaum entgegen. Schnell führt er sie zum Mund, um das Bier aufzusaugen, aber es läuft schon über den Rand und tropft ihm vom Kinn aufs Hemd und in den Schoß. Nach zwei ordentlichen Schlucken blickt er an sich hinab auf seine Jeans.
    »Scheiße.«
    Jetzt sieht er aus, als hätte er sich angepisst.
    Er nimmt einen weiteren Schluck, bevor er die Dose zwischen die Beine klemmt. Die Kälte an den Oberschenkeln tut gut, denn heute ist es verdammt heiß. Zumindest werden bei der Hitze die Flecken längst getrocknet sein, wenn er auf der Arbeit ist. Gott sei Dank. Eine der Bürotussis hat sich schon mal beschwert, weil er angeblich nach Alkohol riecht. Aber jetzt hat er wirklich andere Sorgen.
    Als er an Sarahs Worte vorhin im Keller denkt, wird ihm ganz schlecht. Sie habe ihren Vater angerufen, habe ihm alles erzählt. Kein Zweifel – sollte sie die Wahrheit gesagt haben, landet er früher oder später im Gefängnis. Nicht in der Arrestzelle, wo er in seiner Jugend öfter mal seinen Rausch ausgeschlafen hat, sondern im Gefängnis, bei den richtig harten Jungs.
    Henry dreht den Zündschlüssel um, legt den Gang ein und brettert die Einfahrt hinunter zur Straße.
    Die erste Sarah ist vor dreizehn Jahren im Mencken Regional Medical Center zur Welt gekommen. Man kann nicht behaupten, dass sie ein Wunschkind war. Beatrice war bereits vierundvierzig Jahre alt, und in den achtundzwanzig Jahren ihrer Ehe hatten sie nie verhütet. Henry war längst davon ausgegangen, dass sie keine Kinder bekommen konnten, selbst wenn sie welche gewollt hätten. Aber als Beatrice plötzlich schwanger wurde, veränderte sie sich so sehr, dass er doch dankbar war. Er hatte sie noch nie so glücklich gesehen, sie sang die ganze Zeit. So etwas hatte er noch nicht erlebt.
    Als das Baby schließlich da war, nannten sie es Sarah, Sarah Jasmine Dean. Gewicht: 3260 Gramm. Ein kleines Mädchen mit einem hübschen ovalen Gesicht und seidigem blonden Haar, das ihr immer zu Berge stand. Sie lächelte ununterbrochen, mit offenem Mund und leuchtenden grünen Augen. Dauernd strampelte sie mit den Beinen und lachte und lachte und lachte.
    Bis sie plötzlich nicht mehr lachte.
    Beatrice hatte Sarah in die Badewanne gelegt und war Spielsachen suchen gegangen. Eine gelbe Plastikente, einen Ball. Als sie zurückkehrte, lag Sarah mit dem Kopf unter Wasser. Angeblich hatte sie das Bad nur für ein paar Augenblicke verlassen, aber Henry wusste es besser. Irgendetwas hatte sie abgelenkt, und dann hatte sie die Zeit vergessen.
    Nach der Beerdigung, nachdem der winzige Sarg in einem Grab auf dem Hillside Cemetery verschwunden war, saß Beatrice nur noch heulend auf der Couch. Henry hätte alles dafür getan, es wieder gutzumachen, sie wieder glücklich zu sehen. Aber was sollte er tun? Sarah war weg. Er konnte sie nicht zurückholen.
    Dann hatte er eine Idee.
    Doch weil er nicht wusste, wie Beatrice reagieren würde, wartete er ab. Vielleicht würde sie sich ja doch noch fangen, dachte er, und sich aus ihrem Loch herausarbeiten. Sie hatte immer zu ihm gestanden, die ganzen achtundzwanzig Jahre lang. Trotz der vielen Male, die er wegen Trunkenheit hinter Gitter gekommen war. Trotz der Löcher, die er mit der Faust in die Wand gerammt hatte. Trotz der Prügeleien mit ihrem Bruder. Obwohl ihm öfter mal die Hand ausgerutscht war, wenn sie ihn zu sehr genervt hatte, was überhaupt erst zu den Auseinandersetzungen mit ihrem Bruder geführt hatte. Aber würde sie immer noch zu ihm stehen, wenn er seinen Plan in die Tat umsetzte? Dabei würde er es ganz allein für sie tun. Nur für sie.
    Doch es wurde immer schlimmer. Beatrice wusch sich nicht mehr, manchmal pinkelte oder schiss sie einfach auf die Couch. Sie wollte nicht aufstehen. Wollte nur dasitzen und fernsehen und essen und heulen. In der Spüle und auf der Arbeitsplatte stapelte sich das

Weitere Kostenlose Bücher