Cop
chic, Maggie war im Bad. Nach einer Viertelstunde hörte er ihre hohe Stimme: »Daddy!« Er ging rüber und stieß die Tür auf – sie stand mitten im Raum, Wasser tropfte von ihrem dünnen Mädchenkörper auf die Fliesen, und hinter ihr gluckerte der Abfluss der Badewanne.
»Was ist?«, fragte er.
»Ich hab das Handtuch vergessen.«
»Und?«
»Kannst du’s mir holen?«
»Kann ich’s dir holen und weiter?«
»Das Handtuch.«
»Das hab ich nicht gemeint.«
»Kannst du’s mir bitte holen?«
»Kann ich dir bitte was holen?«
»Daddy!«
»Schon gut.«
Er ging zum Wäscheschrank, zerrte ein Handtuch raus und warf es ihr rüber ins Badezimmer.
»Das Nachthemd hab ich auch vergessen!«
»Was hast du denn noch alles vergessen? Hast du vielleicht auch vergessen, dich zu waschen?«
»Nein. Außer … na ja.«
»Was?«
»Außer hinterm rechten Ohr.«
»Und warum?«
»Ist ein Experiment.« Sie grinste ihr breites Zahnlückengrinsen.
»Ein Experiment?«
»Ja. Mom hat gesagt, wenn ich mich nicht hinter den Ohren wasche, wächst mir da Brokkoli.«
»So, so, hat sie das gesagt.«
Maggie nickte.
»Und du hast ihr nicht geglaubt.«
»Weiß nicht. Ist eben ein Experiment.«
»Aber überall sonst hast du dich gewaschen?«
»Natürlich. Ich bin doch nicht bescheuert.«
»Natürlich nicht. Ich geh dann mal dein Nachthemd holen.«
»Das pinke! Bitte!«
Eine Ellipse aus drei Tropfen Blut, knapp unter dem Kragen, unter einer Schicht aus Laub und Erde. Auf einer Plastikplane neben lauter Gegenständen, die Ian nie zuvor gesehen hat. Gegenstände, die anderen Mädchen gehört haben. Mädchen, die schon lange tot sind.
»Ja«, sagt Ian. »Ich bin mir sicher.«
»In Ordnung.« Nance richtet sich auf. »Wenn eins der Opfer noch lebt, die Tochter eines Kollegen, Ihre Tochter, dann würde ich sagen, wir hauen jetzt mal so richtig auf den Putz.«
Chief Davis blinzelt mehrmals. »Was ist Ihr Plan, Detective?«
»Zuerst knöpfen wir uns den naheliegendsten Verdächtigen vor, bevor er Wind von der Sache bekommt. Wir quetschen ihn aus, suggerieren, wir wüssten mehr, als wir tatsächlich wissen, und schauen, wie er reagiert.«
»Und wer ist der naheliegendste Verdächtige?«
»Der Besitzer dieses Grundstücks. Sie wissen doch sicher, wer das ist?«
»Henry Dean«, meint Ian.
»Natürlich muss der Boss vorher sein Okay geben, aber dann …«
»Ich arbeite nicht für Sizemore«, sagt Davis.
»Tut mir leid, aber Mordfälle fallen nun mal in die Zuständigkeit des Sheriff’s Department«, schaltet sich Bill Finch ein. »Weil wir die entsprechenden Leute haben, zum Beispiel Nancy hier.« Er blickt in die Runde. »Wir haben es hier nicht mit Fred Paulson zu tun, der mal wieder seinen Wagen gegen einen Baum gesetzt hat, hier geht es um mehrfachen Mord!«
Davis betrachtet Finch mit zusammengekniffenen Augen. »In Ordnung.«
»Sobald wir die Zustimmung von Sizemore haben«, meint Nance, »bringen wir Dean auf die Dienststelle und verhören ihn nach allen Regeln der Kunst. Wer weiß, vielleicht knickt er ja ein.«
»Der Wald liegt direkt an der Main Street«, sagt Diego. »Da könnte jeder die Leichen abgeladen haben.«
Davis nickt. »Schon klar. Aber irgendwo muss man anfangen, wenn man weiterkommen will.«
»Ganz meine Meinung«, pflichtet ihm Nance bei.
Davis sieht ihn an. »Ich denke, unsere beiden Dienststellen sollten hier zusammenarbeiten. Ich kenne Henry Dean seit der ersten Klasse. Ich weiß, wie er tickt.«
»Seit der ersten Klasse?«
»Ja.«
»Glauben Sie, er ist unser Mann?«
»Schon möglich.«
»Ich meine, wäre er dazu fähig?«
»Was weiß ich? Man weiß nie, wozu jemand fähig ist, bis er es einfach tut und man nur noch mit offenem Mund dastehen kann.«
Nance nickt, bevor er sich an Bill Finch wendet. »Wo hast du den Boss zuletzt geseh…«
»Redet ihr von mir?« Und tatsächlich – in dem Moment kommt Sheriff Sizemore auf sie zugewalzt.
Nance nickt ihm zu. »Sheriff.«
»Ich komm mit zu Dean«, sagt Ian, als er mit Chief Davis und Bill Finch zurück zur Straße geht, während Diego im Wald geblieben ist, um dem Gerichtsmediziner später schildern zu können, wie und wann er die Leichen gefunden hat.
Davis schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, Ian, aber das geht nicht, du bist selbst zu sehr betroffen.«
»Es geht um meine Tochter.«
»Ian, hör mal …«
»Ich komm mit. Ende der Diskussion.«
»Du würdest da doch nur dumm rumstehen«, sagt Finch. »Wir sollen den Typen lediglich
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