Cop
zur Dienststelle bringen, damit Nancy ihn in die Mangel nehmen kann. Das ist alles.«
»Und wenn’s brenzlig wird?«
Finch zuckt die Schultern. »Hilfssheriff Oliver wird uns begleiten.«
»Oliver? Der kann sich ohne fremde Hilfe doch nicht mal die Schuhe zubinden. Vergiss es, Finch. Meine Tochter könnte sich in diesem Haus befinden. Du magst ja deine Finger überall in meinem Leben haben, aber es ist verdammt noch mal immer noch mein Leben. Und meine Familie.«
»Jetzt mal langsam, Ian. Ich weiß, Maggie könnte dort sein, und ich weiß, wie sehr du sie liebst. Aber schau dich doch mal an. Du bist jetzt schon auf hundertachtzig, und wir wissen nicht mal, ob der Typ überhaupt etwas damit zu tun hat. Du würdest uns bloß Scherereien machen, und deshalb bleibst du hier. Kapiert?«
»Du hast meinen Officers nichts zu befehlen, Finch«, mischt sich Chief Davis ein.
»Officer ist er doch nur auf dem Papier! In Wahrheit macht er einen Schreibtischjob. Und du hast selbst gesagt, dass er zu sehr davon betroffen ist.«
»Ja, das habe ich«, meint Davis, »aber als sein Vorgesetzter hab ich auch das Recht dazu. Anders als der Typ, der sich in das Bett seiner Frau eingeschlichen hat …«
»Ich habe mich nirgends eingeschlichen …«
»Stopp mal«, geht Ian dazwischen. »Das steht hier doch gar nicht zur Debatte. Ich komme mit und damit basta.«
Sie treten aus dem Wald auf die sonnige Straße.
»Na gut«, gibt Davis nach. »Aber du bleibst schön im Wagen sitzen und steigst nur aus, wenn wir dich wirklich brauchen. Verstanden?«
»Verstanden.« Ian geht zu seinem Mustang. »Danke, Chief.«
Wieder ist sein Mund staubtrocken.
Maggie geht im Kreis und schaut dabei zur Decke. Von oben kommen seltsame Geräusche: lautes Klappern, laute Stimmen, laute Schritte, die sich immer auf und ab bewegen. Und irgendwelches Zeug wird hin und her gerückt. Was ist da nur los? Normalerweise sitzen Beatrice und Henry bloß vor dem Fernseher und träumen mit offenen Augen vor sich hin, und sie hört nur das dumpfe Dröhnen der Lautsprecher. Aber heute ist alles anders, und das gefällt ihr nicht. Es darf nicht anders sein. Anders ist gefährlich.
Also, was geht da oben vor sich? Sind sie ihr auf die Schliche gekommen? Bauen sie gerade eine große Foltermaschine, um sie zu bestrafen, um sie …
Eins zwei drei vier fünf sechs sieben acht.
Nein. Sie sind ihr nicht auf die Schliche gekommen. Ja, sie machen merkwürdige Geräusche. Ja, sie unterhalten sich über irgendetwas. Henry wird laut, er schreit Beatrice an. Aber höchstwahrscheinlich hat es nichts mit ihr zu tun. Wäre Henry wütend auf sie, wäre er schon längst hier unten. Das kann es also nicht sein.
Trotzdem ist sie nervös, denn heute wird sie fliehen. Deshalb soll heute ein ganz normaler Tag sein, ein völlig normaler Tag, normaler als alle anderen Tage. Absolut normal. Bis auf ihre Flucht natürlich. Normale Tage lassen sich vorhersehen, und sie muss alles vorhersehen, wenn sie hier rauskommen will. Und sie muss hier raus. Sie muss frische Luft in den Lungen und die Sonne auf der Haut und Daddys Arme um ihren Körper spüren. Es geht nicht anders.
Sie weiß nicht, was da oben los ist, aber es ist ganz sicher nicht normal. Es könnte ihren Plan zunichtemachen.
Nein. Ihr Plan wird gelingen. Weil er gelingen muss. So einfach ist das. Es hat keinen Sinn, weiter darüber nachzudenken.
Zum dritten oder vierten Mal an diesem Tag geht sie zur Treppe und zieht die Waffe aus dem Dunkel. Sie zögert nicht mehr. Der Gedanke, noch eine einzige Nacht im Keller zu verbringen, ist schlimmer als alles, was in der Finsternis lauern könnte.
Als sie sich vorstellt, was sie gleich machen wird, dreht sich ihr der Magen um. Sie fühlt sich, als hätte sie literweise saure Milch getrunken. Aber sie wird es tun. Am liebsten hätte sie es schon hinter sich gebracht, wäre schon die Treppe rauf und aus der Haustür hinausgerannt und würde jetzt unter der gelben Sonne stehen.
Sie schließt die Augen und malt sich aus, wie die scharfe Kante der Scherbe in die Haut an Beatrice’ Knöchel fährt. Wie sich ein Schlitz in der Haut öffnet, als wäre die ein Stück dickes Leder, und wie dabei die vielen organischen Hebel und Seile zum Vorschein kommen, die einen menschlichen Körper am Laufen halten. Wie das Blut herausschießt und in großen roten Tropfen auf die schmutzige Holztreppe fällt. Wie die schwere Frau umkippt wie ein gefällter Baum.
Sie kann es schaffen. Sie muss sich nur
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