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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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verschwinden in den Winkeln ihrer Augen, während ihre Tochter Thalia einen gesagten Satz ungesagt macht und ihr dadurch das gebrochene Herz wieder flickt, bevor sie das Schlafzimmer rückwärts verlässt und den Flur hinunter in die Küche geht, wo ihre Großmutter ein Blech Kekse zu rohem Teig backt. Alle Zeiger aller Uhren laufen rückwärts, alle Uhrwerke ziehen ihr Tick und ihr Tack aus dem Lauf der Zeit zurück in ihr Inneres, um es erneut erklingen zu lassen. Stopp.
    Derselbe Truthahngeier hängt dicht über dem Haus der Deans, gleich südlich der Crouch Avenue. Er bewegt sich weder vor noch zurück, als wäre er ins Blau genagelt.
    Nichts rührt sich. Einatmen. Und nach einem einzigen Herzschlag: Ausatmen. Die Zeit läuft wieder an, der Truthahngeier gleitet über das Haus zum Wald, angezogen vom Geruch des Todes.
    Gleichzeitig tritt Henry Dean aus der Tür, den rechten Zeigefinger locker in den Schlüsselbund gehakt. Ihm ist das Bier ausgegangen, er will sich noch schnell zwei, drei oder auch ein paar mehr Dosen für den Weg zur Arbeit besorgen. Und für die Arbeit selbst natürlich. Mit ein bisschen Alkohol im Blut vergeht die Nacht gleich viel schneller. Also trottet er die Vortreppe hinunter und weiter über die Einfahrt zum Pick-up, reißt die Tür des Wagens auf und schiebt sich auf den Fahrersitz. Er lässt den Motor an, legt den ersten Gang ein, nimmt den Fuß von der Kupplung, stellt den anderen aufs Gaspedal. Schotter spritzt zur Seite, als sich der Wagen in Bewegung setzt.
    Während er nach links auf die Straße biegt, kurbelt er das Fenster einen Spaltbreit herunter. Mal ein bisschen Luft reinlassen in diesen Ofen aus dem Hause Ford. Die Klimaanlage schaltet er aus Prinzip nicht ein. Tausende Jahre ist die Menschheit ohne Klimaanlage ausgekommen, und er ist schließlich kein Weichei. Klimaanlagen sind was für Weiber.
    Ein Schweißtropfen rinnt ihm über die Stirn, bleibt einen Moment an der grauen, buschigen Augenbraue hängen und rollt schließlich weiter hinab, am Bogen der Härchen entlang Richtung Schläfe. Missmutig wischt er sich die Nässe mit der Hand in das spärlicher werdende Haar.
    Er biegt links auf die Main Street und nähert sich Bill’s Liquor.
    Ein Stück weiter vorne, hinter den Hitzeschwaden, die vom aufgeplatzten Asphalt aufsteigen, sieht er einige Wagen am Straßenrand stehen. Henry nimmt den Fuß vom Gas.
    »Was zur Hölle …«
    Schnell schaltet er runter in den dritten Gang, dann in den zweiten und schließlich in den ersten, während er auf die geparkten Wagen zurollt, zwei Fahrzeuge des Sheriff’s Department von Tonkawa County und eines von der örtlichen Polizei. Auf der Motorhaube des vorderen Wagens hockt ein Hilfssheriff, nuckelt an einer Zigarette und starrt dabei ins Leere.
    Als er auf gleicher Höhe ist, kurbelt Henry das Fenster herunter. »Hey, Sheriff! Wie geht’s denn so?«
    »Ganz okay, Henry. Und selber?«
    »Kann nicht klagen.« Er lächelt. »Verdammt heiß heute, was?«
    »Das kannst du laut sagen. Heißer als die Kleine im Waffenladen.«
    »Sag mal, was macht denn die ganze Polizei hier?«
    Der Hilfssheriff blickt sich um. Niemand zu sehen. Er beugt sich vor und haucht in verschwörerischem Tonfall: »Willst du das wirklich wissen?«
    »Nee, hab nur zum Spaß gefragt. Nun sag schon.«
    »Leichen.«
    Henrys Gesicht versteinert, aber er darf sich nichts anmerken lassen. »Du verarschst mich doch.«
    »Nein. Da hinten im Wald hat irgendwer Leichen vergraben. Kleine Mädchen, mindestens zwei oder drei.«
    »Im Ernst?«
    »Ja.«
    Henry zwingt sich zu einem überraschten Pfeifen samt ungläubigem Kopfschütteln. »Wahnsinn.«
    »Du sagst es.«
    »Was für ein Arschloch bringt denn kleine Mädchen um?«
    »Ein krankes Arschloch halt. Wahrscheinlich hat er sie vorher noch gefickt.«
    Henry spürt, wie ihm das Blut ins Gesicht schießt. Heiße Wut presst seine Brust zusammen wie eine Rohrzange. Verdammt, er ist kein Vergewaltiger! Er ist ein Familienmensch! Er liebt seine Frau, er würde sie niemals betrügen, erst recht nicht mit kleinen Mädchen, er doch nicht, verdammte Scheiße! Am liebsten würde er sich aus dem Fenster lehnen, den Hilfssheriff am Kragen packen und ihn mit der Fresse voran gegen den Türrahmen knallen. Doch er kann sich gerade noch zusammenreißen. »Hast recht. Gott, ist das krank. Hoffentlich schnappt ihr den Hurensohn bald.«
    »Aber klar doch.«
    »Also, viel Glück noch«, sagt Henry und salutiert zackig, bevor er den Gang einlegt

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