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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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und weiterfährt Richtung Süden die Main Street hinunter. Sobald er außer Sichtweite des Hilfssheriffs ist, schwindet alles Leben aus seinem Gesicht, und sein freundliches Lächeln fällt in sich zusammen. Das Leuchten in seinen Augen erlischt, die Mundwinkel sinken herab, es ist, als hätte er sich eine Totenmaske aufgesetzt.
    Kaum ein klarer Gedanke dringt durch den grauen Nebel, der sein Denken umhüllt. Er spürt nichts als instinktive Furcht, die Angst des Tiers, das in die Enge getrieben wird. Doch kurz vor der Hackberry Street kommt ihm Chief Davis’ Wagen entgegen, gefolgt von einem roten ’65er Mustang, und auf einmal ist der Nebel wie weggeblasen.
    Sie haben die Leichen gefunden, und bald werden sie eins und eins zusammenzählen. So blöd ist die Polizei auch wieder nicht. Und auch wenn an den Leichen selbst keine Spuren sind – aber mit der ganzen modernen Technik heutzutage wird man seine DNA wohl überall auf den kleinen Körpern finden –, liegen die Mädchen immer noch auf seinem Grundstück. Also werden sie zuerst zu ihm kommen, vielleicht sogar mit einem Durchsuchungsbefehl. Henry weiß, wie dicke Sheriff Sizemore mit seinen Lieblingsrichtern ist; wenn er will, bekommt er den Befehl im Handumdrehen. Und wenn sie das Haus durchsuchen, finden sie Sarah. Und wenn sie Sarah finden, ist alles aus.
    Dieses verdammte kleine Miststück. Dabei hat sie ihm noch gesagt, sie hätte ihren Vater angerufen. Aber er wollte es ihr ja nicht glauben. Er wollte nicht wahrhaben, dass sein Leben gerade den Bach runtergeht. Das durfte, das konnte nicht wahr sein. War es aber. Ist es aber. Keine Ahnung, wie die Kleine von den Leichen im Wald erfahren hat, aber offensichtlich hat sie davon gewusst und es ihrem …
    Als die beiden Wagen vorüber sind, reißt er das Steuer herum und wendet auf der Straße.
    Kein Bier heute. Keine Arbeit heute. Sein ganzes Leben steht auf dem Spiel.
    Er braucht einen Plan. Auf dem Weg nach Hause, zu dem Haus, das die letzten vierzig Jahre seine Heimat war, überlegt er, was jetzt zu tun ist. Sein Bruder Ron lebt in Kalifornien, in einer weitgehend verlassenen Bergbausiedlung namens Kaiser knapp hinter der Grenze zu Arizona. Dort könnten sie sich verstecken, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Auch wenn das eine Weile dauern dürfte. Tote Mädchen geraten nicht so schnell in Vergessenheit, erst recht nicht, wenn sie noch so klein waren. Die Nachrichtensender werden ihn schon in ein paar Tagen als Mörder verurteilt haben, die Medien brauchen ihren Bösewicht. Aber da werden sie, Beatrice, Sarah und er, schon lange in Kaiser sein. Und sobald Gras über die Sache gewachsen ist, können sie … Ja, was können sie dann? Plötzlich weiß er nicht mehr weiter. Sein schönes Gedankengebäude gerät ins Wanken.
    Doch er reißt sich zusammen. Sollten sie nicht genug gegen ihn in der Hand haben, um ihn hinter Gitter zu bringen, kann er vielleicht sogar zurückkehren, zurück nach Hause. Natürlich wird er sich durch seine Flucht erst recht verdächtig gemacht haben, aber was soll’s, ein Verdacht ist noch lange kein Beweis. Aber wenn er ehrlich zu sich ist, sieht es eher so aus, als würde Bulls Mouth schon sehr bald ein Teil seiner Vergangenheit sein. Also gingen sie am besten nach Mexiko. Natürlich erst, wenn sich die Lage etwas beruhigt hat, aber dann sollte es kein Problem sein, über die Grenze zu kommen. Die Grenzer achten eher auf die, die in die Staaten reinwollen, als auf die, die rauswollen. Wie er sich in Mexiko durchschlagen kann, wird er sich dann überlegen. Irgendwas wird sich schon ergeben. Vielleicht reicht es sogar für ein Haus am Meer. Da wollte er schon immer hin, ans Meer. Oder doch nach Kanada? Da oben sprechen sie wenigstens Englisch. Aber darüber kann er sich später noch den Kopf zerbrechen.
    Chief Davis und der rote Mustang halten hinter den anderen Wagen. Als Henry kurz darauf an ihnen vorbeifährt, muss er seinen ganzen Willen zusammennehmen, um nicht Vollgas zu geben. Er darf sich auf keinen Fall verdächtig machen.
    An der Crouch Avenue biegt er ab, zwei Minuten später rollt der Ford Ranger die Einfahrt hinauf. Die Reifen knirschen auf dem Schotter, Steine spritzen gegen die Hauswand.
    Henry hält an, springt aus dem Wagen und stürmt die Vortreppe hinauf, nimmt die Veranda in zwei Sätzen und bricht durch die Tür.
    »Bee!«
    »Was ist?«
    Er stolpert in die Küche – Beatrice steht an der Spüle, einen seifigen Teller in der Hand, und starrt ihn verwundert

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