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Cop

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Titel: Cop Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Jahn
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Boden in der Faust, bis sein Daumen den Abzug findet. Und drückt ab.
    Der erste Schuss erwischt den Hilfssheriff an der Hüfte. Sarah schreit, als es den Kerl zur Seite schleudert. Beißender Rauch breitet sich im Führerhäuschen aus. Bevor er den zweiten Lauf abfeuert, hebt Henry die Waffe ein wenig an. Volltreffer. Die linke Brusthälfte des Hilfssheriffs verschwindet, wird einfach weggewischt, wie man die Haut von einem verfaulten Pfirsich wischt. Rotes Fleisch glänzt im Sonnenlicht. Der Mann stolpert zurück, kippt um, knallt auf den Asphalt.
    Bremsen quietschen.
    Henry schaut nach links. Ein roter Chevy rast auf ihn zu. Die Reifen blockieren, der Wagen bricht seitlich aus und kommt schlitternd zum Stehen, am Ende einer qualmenden Bremsspur und nur wenige Zentimeter neben dem leblosen Hilfssheriff, der gerade seine letzten zwei, drei Atemzüge macht. Seine Lippen sind bereits schneeweiß.
    Sofort klappt Henry die Schrotflinte auf, zieht die leeren Patronen raus und lässt sie auf den Boden fallen. (Du brauchst jetzt nicht mehr vorsichtig zu sein. Jetzt ist alles egal.) Er fummelt frische Patronen aus der Hosentasche, schiebt sie in den Lauf und zielt auf die blonde Frau hinter dem Steuer. »Steig aus, du Scheißfotze! Sonst erschieß ich dich.«
    Schnell blickt er die Straße hinauf und hinunter. Der Interstate ist wundersamerweise leer. Aber lange wird er das nicht bleiben.
    Die Frau hinter dem Steuer ist wie versteinert. Sie starrt ihn bloß an mit ihren großen Kuhaugen.
    »Aussteigen, verdammt noch mal! Oder willst du sterben?«
    Sie rührt sich immer noch nicht.
    Also geht Henry rüber und reißt die Tür auf, zerrt sie aus dem Wagen und wirft sie auf die Straße. Doch als er die Waffe auf ihren Kopf richtet, hört er Beatrice’ Stimme.
    »Sarah! Sarah, komm zurück!«
    Er dreht sich um. Der Pick-up ist leer.
    Henry sieht, wie Sarah über die flache, trockene Landschaft von West Texas rennt. Anscheinend will sie nach Sierra Blanca, einem Haufen niedriger, verwitterter Häuser in einiger Entfernung.
    Beatrice hinkt hinterher, ein bemitleidenswerter Anblick. »Nein, Sarah!«, ruft sie. »Komm zurück!«
    Henry nimmt die Verfolgung auf. »Scheiße, Sarah, bleib stehen!«
    Da stolpert Beatrice. Sie schreit wie ein verletztes Tier.
    Doch Henry rennt weiter, obwohl er sich alles andere als gut fühlt. Zu schwerfällig, zu ungeschickt. Die Lupara rutscht ihm aus den feuchten Fingern, er spürt es noch, und schon ist sie auf den Boden gefallen. Er bleibt stehen, aber die Schrotflinte ist im hohen Gras verschwunden. Das Scheißteil ist weg, und …
    »Henry! Henry, sie läuft weg!«
    Er schaut sich um. Beatrice sitzt immer noch auf ihrem Hintern, sie hat sich keinen Zentimeter bewegt. Wenn er Sarah gehen lässt, wird sie ihm niemals verzeihen. Er sieht es in ihren Augen.
    Mit einem knappen Nicken rennt er weiter. Die Lupara kann er auf dem Rückweg einsammeln. Er verfolgt das Mädchen, das verzweifelt durchs Gestrüpp stolpert, auf die paar weißen und bräunlichen Häuser von Sierra Blanca zu, die wahllos über die Steppe verteilt daliegen, wie längst vergessene Bauklötze.
    Zweieinhalb Stunden hinter Sierra Blanca gehen Ian endgültig die Kräfte aus. Er hat ganz West Texas durchquert, eine Landschaft wie ein fremder Planet, ist an Sparks, Southview und anderen Vororten von El Paso vorbeigefahren, bevor er sich durch die Stadt selbst gewühlt hat, Mexiko immer zu seiner Linken, seit dem Schlenker, den der Interstate im Stadtgebiet Richtung Grenze macht. Vorbei an der Holy Family Church auf amerikanischer Seite und Doniphan Park drüben in Juarez und weiter, wieder raus aus der Stadt. Nur einmal ist er in Versuchung gekommen, einen Zwischenstopp einzulegen, als ein Laden namens Rudy’s Country Store & BarBQ am Straßenrand auftauchte – und damit die verlockende Vorstellung, eine warme Mahlzeit zu genießen und in ein weiches Bett in einem klimatisierten Hotelzimmer zu sinken. Kurz hat er den Fuß vom Gas genommen, doch er hatte genug von Texas, von diesem Staat, der überhaupt kein Ende nahm. Nach vierzehn Stunden hinter dem Steuer wollte er nur noch die Grenze nach New Mexico überqueren, und bei Las Cruces, an einem verlassenen Grenzübergang, hat er es endlich geschafft. Er blickt den Flugzeugen hinterher, die über den Interstate hinwegrauschen, um irgendwo rechts von ihm am Las Cruces International Airport zu landen, sofern sie nicht dort gestartet sind (nicht dass er den Flughafen gesehen hätte; ihm

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