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Körpers.
Die nächste aufdringliche Werbung verkauft keinen Sex. Die Frau ist grau wie ich und in konservatives Leinenpapier gekleidet, wie die Aufmachung eines TV-Doktors, komplett mit einem Endoskop, das vom schmalen Hals herabhängt.
»Bitte entschuldigen Sie die Störung, Sir. Darf ich fragen, ob Sie sicheres Prägen praktizieren?«
Ich muss blinzeln; es klingt vertraut. »Oh, ich verstehe. Sie meinen, ob ich mein reales Selbst vor Krankheiten schütze, die ein Dito…«
»… nach Hause bringen und durch den Inload übertragen könnte. Ja, Sir. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, wie gefährlich es sein kann, die Erinnerungen eines Golems aufzunehmen, der im Lauf des Tages wer weiß wo gewesen ist? Er könnte es mit allem zu tun bekommen haben, von Viren bis hin zu memischen Toxinen.«
Sie bietet mir eine dünne Broschüre an, und plötzlich erinnere ich mich an eine Geschichte, die vor kurzer Zeit in den Nachrichten kam und vor allem humorvoll dargestellt wurde. Es ging dabei um Leute, die offenbar glauben, dass wir in der schlechten alten Seuchenzeit des Fiaskokrieges leben.
»Ich versuche, sauber zu bleiben. Wenn es Zweifel gibt, nehme ich den Inload vor, ohne mein Original zu berühren.«
»Memische Toxine erfordern keinen physischen Kontakt«, sagte die Doktorenimitation. »Sie können sich beim Inload mit den Erinnerungen ausbreiten.«
Ich schüttele den Kopf. »Man hätte uns darauf hingewiesen, wenn so etwas möglich wäre…«
»In mehr als zehn Städten auf der Welt ist es zu Ausbrüchen gekommen.« Das professionelle Gebaren lässt nach, als sie mir die Broschüre in die Hand drückt. »Sie verbergen die Wahrheit vor uns!«
Sie? Offenbar ein Verschwörungsfan. Memische Toxine! Könnten alle für die öffentliche Sicherheit zuständigen Behörden – und alle ihre Angestellten – unter einer Decke stecken und verhindern, dass die Öffentlichkeit von einer neuen Seuche erfährt? Und selbst das würde heute nicht mehr genügen, denn es gibt zu viele clevere Amateure. Ganz zu schweigen von den Gefolgsmannprämien, die Anreiz genug bieten, um selbst den getreuesten Helfern Geständnisse zu entlocken.
»Eine interessante Hypothese«, sage ich und weiche zurück. »Aber warum haben die freien Netze noch nicht…«
»Die Toxin-Entwickler sind schlau. Die Symptome variieren von Stadt zu Stadt! Die freien Netze korrelieren Unfälle, Gerüchte und Anekdoten. Und doch…«
Ich weiche weiter zurück und lasse meine Füße dankbar von der Rolltreppe erfassen. Als sie mich fortträgt, zeige ich ein entschuldigendes Lächeln. Die »Ärztin« sieht mir kurz nach, dreht sich dann um und tritt an einen anderen Passanten heran. Vielleicht beauftrage ich Nell später, nach dem Begriff »memische Seuchen« zu recherchieren.
Ich komme jetzt an den erstklassigen Firmen vorbei. »Szenen ohne Grenzen« schickt einen hervorragenden Interviewer, einen ganz auf seine Aufgabe konzentrierten Schwarzen, der ein Drehbuch erstellt und dabei Budget und Lieblingsvorstellungen des Kunden berücksichtigt. Anschließend kehrt er mit Requisiten und voller Besetzung zurück, um jede Szene zu spielen, von hoher Literatur bis hin zu finsteren Träumen.
»Fernabenteuer« bringt die geprägte, aber noch nicht gebackene Kopie in irgendeine ferne Ecke der Welt, aktiviert sie dort in einem Kiln und schickt sie durch einen Tag hektischer Eskapaden. Der schockgefrorene Schädel kehrt in perfektem Zustand heim, sodass man sich an alles erinnert. Ein Vierundzwanzig-Stunden-Abenteuer, fix und fertig.
Dann gibt es da noch Spezialisten, an deren Dienste vor der Golemtechnik niemand gedacht hat. Fast alles, das man mit einem anderen Menschen nicht anstellen kann, lässt sich mit einem Dito machen – obwohl damit oft Gebühren und Perversionssteuer verbunden sind.
Kein Wunder, dass Inspektor Blane diesen Ort hasst. Es ist eine Sache, Duplikate zu beauftragen, ehrlicher Arbeit nachzugehen. Gewerkschaften haben gekämpft und verloren, und heute verdienen Millionen an mehreren Orten gleichzeitig ihr Geld. Sie leisten die Arbeit, bei der sie sich auskennen, vom Hausmeisterdienst bis hin zu Wartung in Kernkraftwerken. Ein fairer Markt bietet allen beste Sachkenntnis an, zu erschwinglichen Preisen.
Aber Sachkenntnis bei Unterhaltung? Von der Leinwand heruntergeholt, aus der Glotze befreit, trivialen Liebesromanen entsprungen, dem Tastsinn zugänglich, Substanz geworden… Als das Web begann, soll zunächst die Pornographie im Vordergrund
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