Copyworld: Roman (German Edition)
Hyazinth den Blick
nieder, aber so ganz ehrlich ist die Scham nicht, viel aufrichtiger ist da das
tiefe Gefühl von satter Zufriedenheit, das ihn mit wohliger Wärme füllt.
“Es hat dir also gemundet”,
stellt der Exarch fest. Hyazinth nickt
eifrig und würgt den letzten Bissen Lachs - was immer das auch ist - hinunter,
dann sagt er: “Danke, Deva, ganz ausgezeichnet. Ich werde der Schulkantine mal
empfehlen, mit den Köchen der Hohen Exarchie einen Erfahrungsaustausch zu
veranstalten. Nie hätte ich geglaubt, daß es solche Delikatessen gibt. Und
alles echt, nicht ein Gramm Pilzsubstanz dabei, alles natürlich gewachsen –
oder täusche ich mich?”
“Nein”, antwortet der Exarch einsilbig, “du täuscht dich nicht.” Dann
klopft er mit dem Knöchel auf die Tischplatte und sagt: “Schluß jetzt mit dem
Theater. Alles was in diesem Raum geschieht, unterliegt strengster
Schweigepflicht, klar?”
“Verzeih, Deva, ich dachte –”
Korund unterbricht ihn schroff:
“Du sollst gehorchen, nicht denken.!
“Ich höre und gehorche, Deva”,
murmelt Hyazinth verwirrt.
Die Miene des Ersten Exarchen wird wieder friedlicher.
“Ich weiß sehr wohl, wie schwer
es dir fällt, an die Stelle des Denkens den Gehorsam zu setzen”, sagt er, “du
neigst besinnlerischen Ansichten zu, ohne dir dessen bewußt zu sein.”
Erneut befällt Hyazinth eine
geheimnisvolle Furcht. Wie kann es sein, daß der Exarch selbst solche Dinge von ihm weiß? Vermutlich
ist es eine besondere Fähigkeit, die dem Exarchen zu solcher Kenntnis verhilft, vermutlich
ist das genau jene Kraft, die einen Menschen aus der anonymen Masse heraus und
über sie erhebt, denkt Hyazinth. Welch eine Größe des Verstandes gehört dazu,
diese Kraft handhaben zu können, welch ein Wunder der Natur ist solch ein
Geist, der in wenigen Augenblicken das Wesen eines anderen Menschen zu erkennen
imstande ist!
“Doch du bist diesmal zu weit
gegangen, Hyazinth! Allein dein Wissen um die Gesundheitswache wäre Grund
genug, dich aus Weltenstein zu entfernen – wie konntest du dich erdreisten, den
Wächter abzuschalten? Wie konntest du nur die unbegreifliche Dummheit
aufbringen, dir eine glänzende Zukunft zu verderben?”
Hyazinth zuckt nur schwach mit
den Schultern. In seinem Kopf ist völlige Leere, wie immer, wenn die Angst vor
Bestrafung, gleich ob aus nichtigem oder schwerwiegenden Anlaß, ihn wie in
eisernen Klammern hält.
“Ja, natürlich warst du dir auch
diesmal nicht der Tragweite deiner leichtsinnigen Tat bewußt, und sicher
begreifst du nicht einmal jetzt, was du getan hast, oder?”
Die drohend gestellte Frage läßt
Hyazinth nur die Wahl, den Kopf zu schütteln, obgleich ihm Sirrahs
Erläuterungen einleuchteten.
“Wie kann man nur so blöd sein?”
knurrt Korund Stein. “In allen Fächern mit deklassierendem Abstand zu den
anderen Zöglingen der Märtyrerschule der Beste – aber in den simpelsten Dingen
stellt sich dieses ungewöhnliche Gehirn als völlig untauglich heraus… Wir waren
wohl voreilig, haben es nicht abwarten können… Nun gut, Beryll wird dir nachher
erklären, was eigentlich Sinn und Zweck der Gesundheitswache ist. Du solltest
vorfristig in die Projektantengarde aufgenommen werden, in das Nervenzentrum
des Projekts Copyworld . Wir brauchen dort dringend Nachwuchs mit
schöpferischem Elan. Du hast in den Quelljahren ein Übermaß an Phantasie
bewiesen, dein Morgenrapport war von einer Farbigkeit und Wirklichkeitsnähe,
daß ich manchesmal geradezu neidisch wurde auf die Träume, die du
zusammengelogen hast.”
Hyazinth macht sich ganz klein
und starrt mit großem Eifer auf ein Kaviarkügelchen, das vom Tisch gefallen
ist.
“Du weißt, wie wichtig es ist,
den verkrüppelten, qualvoll dahinsiechenden Menschen außerhalb der Zentralstadt,
diesen Milliarden Leidenden, von unseren gewissenlosen Ahnen ins Elend
Gestoßenen, eine glückliche Zukunft zu schaffen.”
Das fleißige Nicken Hyazinths ist
keine Heuchelei, oft genug hat er Berichte über die gräßlichen Entstellungen
und Krankheiten gesehen, von denen die Menschheit draußen in der weiten Welt
geplagt wird, und jedesmal dankte er dem Schicksal, das ihn in die Waagschale
der wenigen Auserwählten warf, wenn sie auch zum Dank für genetische Reinheit
das Opfer der Sterblichkeit bringen müssen.
“Ebenso weißt du, daß sich
genetische Indisposition nicht nur in körperlicher, sondern sehr häufig auch in
geistiger Aberration
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