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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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dann erst wirst du begreifen…”
    Hyazinth erwacht aus seiner
furchtsamen Starre. Was hat Korund Stein da gesagt: Ich soll hinausziehen in
die Welt?
    “Ungern nur ändere ich meine
Pläne, aber der mögliche Gewinn ist den Einsatz wert… Du sollst lernen,
welch trügerische Lust es bereitet, hoch über den Massen zu stehen. Vielleicht
dämpft es deinen Eigensinn, wenn du zum angebeteten Idol deinesgleichen wirst,
vielleicht merkst du dann endlich, daß die Gestalt eines jeden Dings sich mit
dem Blickwinkel ändert, daß keine Wahrheit endgültig ist und sich hinter jedem
erreichten Ziel unendliche Ebenen weiten. Vielleicht lernst du dann,
unermüdlich mit dem Horizont um die Wette zu laufen… Wir wollen es erproben.
Szingold braucht ein neues Idol. Du wirst ab morgen Sigmatanz studieren und
dann in den Norden gehen!”
    Hyazinth schreit entsetzt auf.
Nach Szingold, in die nördlichste Oberstadt – das ist wie mittelalterliche
Verbannung!   Und dann noch als Tänzer, wo
er doch schon ungeschickt genug ist, den einen Fuß halbwegs gerade vor den
anderen zu setzen. In seiner Not ruft er aus: “Aber Deva, ich kann nicht einmal
zehn Schritte laufen, ohne zu stolpern – wie soll ich da tanzen? Sie werden
mich nicht anbeten, sondern zur Hölle jagen!” Und rechtzeitig fällt ihm noch
eine Episode aus den Lun-yu ein, in der des Meisters Schüler Kai ein
öffentliches Amt übernehmen soll, jedoch einwendet, er traue sich das noch
nicht zu. Der Meister war sehr erfreut über die bescheidene Antwort. “Ich traue
mir das noch nicht zu, Deva”, fügt er scheinheilig hinzu. Der Exarch    nickt wohlwollend, sagt dann aber: “Du
sollst es auch nicht morgen oder übermorgen tun. Die Lehrzeit bei Choreut
Sylvin wird zwei Jahre dauern, und in diesen vierundzwanzig Monaten wirst du
zwölf Stunden am Tag tanzen… Außerdem muß ein Idol nichts können, nicht einmal
Intelligenz und Bildung sind erforderlich. Wesentlich für die Eignung zum Idol
ist lediglich eine gewisse Äußerlichkeit, die subrationale
Identifikationsmechanismen in Gang setzt. Nur über diese unbewußten Vorgänge
kann man durch das Idol für diese oder jene Sache werben. Zuviel Intelligenz
ist dabei eher hinderlich, deshalb fürchte ich ein wenig um deine seelische
Stabilität… Andererseits verfügst gerade du über jene magische Ausstrahlung,
schaffst es immer wieder, Menschen in deinen Bann zu ziehen…”
    Hyazinth spürt seine Ohrmuscheln
glühen.
    “…obgleich niemand der Befragten
mir sagen konnte, wie du das vollbringst. Vermutlich weißt du selbst es nicht
einmal. Das tut nichts zur Sache, wichtig ist allein diese seltene Gabe. Sorge
dich nicht. Wir werden aus dir den größten Sigmatänzer aller Zeiten machen. Und
wenn du noch zweifelst, so schau auf Weltenstein.” Beinahe klang es wie
Gehässigkeit, wie Verachtung in den letzten Worten.
    “Nirgendwo wird ein Künstler
verehrt, wenn er den Leib einer Seekuh und das Gesicht eines Pavians hat. Die
Zeiten, da Fertigkeit der Finger oder Fähigkeit des Geistes den Wert eines
Künstlers bestimmten, endeten mit dem Jahrtausend, das wir das barbarische
nennen. Damals galt es als Kunst, Körper, Sprache und Verstand zur Darstellung
einer großen Idee zu nutzen… in unserer Musik hat ein Rudiment dieser Tradition
die Jahrhunderte überdauert, aber selbst die Steinmusik wird zunehmend von
Solisten dominiert, deren Leistung mehr darin besteht, über ihr Talent zu reden
und dabei den Kopf so zu halten, daß kein Schatten das Gesicht nachteilig
verdunkelt… Sehr schlimm ist es um unsere Sänger bestellt: Verbiegt
Desmina kunstvoll ihren ansehnlichen Körper und stößt dabei einige halbwegs
modulierte Triller aus, wälzt sich die Menge verzückt am Boden. Dabei ist ihr
Gesang ein peinliches Geschnatter gegen die große Stimme von Olivina, die aber
niemand mehr hören will – als gäbe es irgendeinen ästhetischen Zusammenhang
zwischen ihrem kristallklaren Suprasopran und der geringfügigen
Fehlpigmentierung ihres Gesichts.”
    Hyazinth nickt unwillkürlich, ihm
fiel die Kristallistin des Rosenquarzetts ein. Wie ein Sturmwind fahren die
kurzen und dicken Finger dieser großartigen Virtuosin durch die Trauben und
Bündel von Kristallperlen und -plättchen. Das Publikum applaudiert ihr, aber
nach dem Konzert meidet es die unscheinbare, ältere Frau und drängt sich um den
zwar mittelmäßigen, dafür aber hochgewachsenen, glutäugigen Steinbläser, der in
den Pausen zwischen seinen Einsätzen die

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