Copyworld: Roman (German Edition)
Andorgas
wurde vor Gericht gerufen. Man warf ihm vor, das älteste Gesetz gebrochen zu
haben, das seit Berulfs Freitod in Tsalla galt: Ehre jeden Mann, dessen Hand
das Schwert noch halten kann.
Es war widersinnig aber wahr. Andorgas hatte
Athors Ehre auf ewig beschmutzt, indem er ihn der Lächerlichkeit preisgab.
Gerade, als der Feigling, sich doch wahrlich selbst entehrend, in den Staub
sank und um sein Leben flehte, da hätte Andorgas der Schande mittels schnellem
Streich ein Ende setzen müssen…
“Es gab nur eine Strafe für solch
Verbrechen, den Tod.”
Derek fährt überrascht auf, als
Andorgas das gelassen ausspricht. “Den Tod? Dafür, daß Ihr einen Feigling
schontet?”
“Nein, nennt ihn nicht Feigling…
er war vom Blut Gobeddas, und im Kampf für Tsalla tat er Dinge, die nur Helden
tun…”
“Ich meinte nicht, daß er
Tapferkeit geheuchelt hätte, nein – eher denke ich, daß plötzlich im Angesicht
des Todes das in ihm die Oberhand gewann, was eigentlich nicht in uns sein
sollte: Das feige Tier.”
“Wie kommt Ihr darauf, im
Menschen könnte etwas sein vom Tiere? Wo wir doch Kreaturen irgendwelcher
Götter sind und nicht die fernen Kinder ferner Bestien, wie manch sogenannter
Weiser eifrig schwört?”
Andorgas fragte mit einem
angespannten Lauern; Derek merkt dies sofort. Was soll’s, denkt er, Aja ist
weit, Seemark ist weit, Ealthea ist weit – wer wollte mir den Frevel
nachweisen?
“Schaut um Euch, Erzherr
Andorgas! Euer Blick ist der des seiner selbst bewußten Menschen, nicht der des
Sklaven eines Gottes. Ich hab es längst gesehen, und es gefällt mir so. Schaut
um Euch, und Ihr seht in jedem Menschen unseren Werdegang, seht überall das
Ungeheuer seine Zähne blecken. Vielleicht hat Ealthea uns einst auserwählt – das
mag ich, wenn mit Widerwillen auch, so gerad’ noch glauben. Geschaffen hat sie
uns nicht, so wie wir sind: Das ist für mich Axiom! So schlecht kann keines Gottes Schöpfung sein - es sei denn,
Gott selbst ist schlecht…”
“Nana, laßt das nicht Eure Ealthea
hören.” knurrt Andorgas. Aber irgendwie klingt es auch wie eine Aufforderung,
fortzufahren mit solch aufsässiger Rede.
“Ich war noch nicht am Ende des
Gedankens. Hier sollte ich wohl sagen – damit du mich nicht für vermessen
hältst – daß Worte nie zum Ende solchen Denkens führen. Selbst Götter haben
nicht die Macht, ein Ende allen Seins zu schaffen: Sie müßten dann sich selbst
vernichten… Nein, Götter haben nur das Recht, zu schaffen. Vernichten, das ist
unser Werk, das Privileg des Menschen. Wir sind die Mittler zwischen Geist und
Tat, die Kraft, die Möglichkeit und Wirklichkeit versöhnt, die Wille zu
Bewegung macht. Was wären die Götter ohne uns! Armselige Wichte in zerwühlten
Betten, ohnmächtig ihr Geschlecht umkrampfend, das anschwillt vor qualvollem Sehnen
und nur das Laken findet zur Entleerung…
Schaut hin, schau auf diese Welt,
Erzherr von Tsalla! Ihr seht nur Tiere. In wunderlichen Kleidern schreiten
manche einher, mit Menschen beinahe zu verwechseln – mit Menschen, wie sie sein
sollten, einst…
Ihr, ich, Prinzessin Damma – wir
sind vielleicht das edlere Getier, denn wir sind fähig, uns als solches zu
erkennen. Wir spüren diesen Schlag in unserer Brust, der mehr als hundert von
Millionen Jahren Werden durch die Adern peitscht. Mag sein, daß niedriger als
wir der Bauer ist... Doch schlußendlich sind wir nur die besseren Tiere, nicht
die edleren Menschen. Wir nutzen unsere Macht, die aus der Dummheit unserer
Völker wächst, und lügen immerzu: zum Guten. Wir sind die besseren Tiere, nicht
die besseren Menschen, denn der bessere Mensch stand offenbar in keines Gottes
Plan. Es wäre wohl auch zu riskant für einen Gott, den besten Menschen zu
erschaffen – er könnte doch besser sein als dieser selbst. Nicht auszudenken.
Deshalb ist unser Los das aller Tiere. Gefesselt an das Böse, an Trieb, an
Lust, an konzentriertes Ich. Und doch hab ich schon oft gedacht: Das ist der
Mensch – das und nichts anderes…”
“Für Götter ist nur wenig Raum in
Eurem Denken, Großherr von Seemark.”
“Es müssen eigentlich kluge
Götter sein”, antwortet Derek nachdenklich, “die mir so viel Platz lassen neben
sich.”
“Euer Menschenstolz kann dem der
Götter wohl gut widerstehen.” Andorgas lacht dröhnend. “Nimm meine Hand – jetzt
endlich und für ewig! - Großherr Derek, und sei versichert: Wenn dein mächtiger
Herr der Zeit und seine Gemahlin
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