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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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wirst   begreifen, welcher Sinn in unseren Reden
liegt.
      Wenn ein Krieger von Tsalla einen höheren Rang
beansprucht, muß er den Inhaber dieses Ranges zum Duell fordern…”
    Derek lauscht schweigend.
    Andorgas war gerade zum
Heerführer der Thar aufgestiegen, da forderte Athor, ein erfahrener und
listenreicher Krieger, den neuen Herrn zum Gymkhana. Solch eine Forderung kann
nicht abgewiesen werden. Jeder darf jeden fordern. Dem niedersten Soldaten
selbst ist es erlaubt, den König von Tsalla zum Kampf um den Thron zu zwingen.
Unblutig geht solch ein Gymkhana nur aus, wenn der Geforderte sich freiwillig
geschlagen gibt. Für den Herausforderer hingegen gibt es nur Sieg oder Tod.
Aber noch nie hat ein im Rang höherer Thar den Kampf gemieden. Athor hatte einen
für sich günstigen Zeitpunkt gewählt: Erst vor einem Tag hatte Andorgas
Brannack Dal Gemmrick bezwungen, den Stärksten aus dem Geschlecht der Gobeddas.
Zu lange hatten sich die Nachkommen Berulfs unter den Befehl der Gobedda-Leute
gebeugt, deshalb forderte Andorgas den Rang des Heerführers für seinen Clan
zurück. Es war ein Kampf der Titanen, und als sein Hackschwert dem Edlen
Brannack den Schädel spaltete, sank Andorgas fast gleichzeitig zu Boden vor
Entkräftung. Da sandte ihm Athor, der letzte Mann der Dal Gemmricks aus dem
Clan Gobedda, den Dolch mit der Rubinklinge, das Zeichen der Forderung.
    Andorgas war noch nicht gebadet
und gesalbt, das Blut rann noch aus der Schulterwunde, die Brannack ihm
zugefügt – da legte ihm ein Diener wortlos Athors Dolch vor die Füße. Er sprang
auf vor Zorn, denn es gilt als schwere Beleidigung in Tsalla, einen Mann zu
fordern, der soeben erst als Sieger das Gymkhana verlassen hat. Es ist ein
Zeichen mangelnden Respekts, der Nichtachtung.
    Aufheulend vor Wut riß Andorgas die
Zakraa von der Wand und stürmte in die Arena. Als Beleidigtem stand ihm die
Wahl der Waffen zu, und da gab es nur die eine: Jene tellergroße Scheibe mit
der rasiermesserscharfen Kante und den Fingerlöchern in der Mitte, die Zakraa.
Der Gott Crrschnaa selbst hatte diese Waffe einst gegen N’drraa geschleudert,
den Gebährer der Welt über der Welt. Aber er hatte N’drraa verfehlt, und die
Zakraa fiel auf die Erde hinab, wo sie Berulfs Ahn Broaxx aus den Dreizehn
Reichen aufnahm und listig unter seinem Kettenhemd verbarg, als Crrschnaa
wutschnaubend auf seinem Flügelrad herabbrauste, die zauberkräftige Waffe zu
suchen...
    Der Zauber der Zakraa ist längst
vergessen, aber ihr rasender Flug, dem Flügelrad des Crrschnaa gleich, bringt
immer noch den Tod, gedankenschnell. Sie ist seit Jahrtausenden ein
gefürchtetes Wurfgeschoß, aber geübte Krieger führen sie ebenso wirksam als
Hiebwaffe, und Andorgas galt schon immer als Meister der Zakraa.
    Athor sank auf einmal aller Mut,
als Andorgas schnaufend wie ein Feuertiger auf ihn einstürmte. Angst glitzerte
in hellen Funken im Rot seiner Augen, als er, statt seine Zakraa wie ein Schild
zu gebrauchen, die Waffe dem herantobenden Rivalen entgegen schleuderte.
Andorgas nahm nur die Schulter ein wenig zurück, und die Scheibe segelte
vorbei. Athor fiel wimmernd auf die Knie und bedeckte den Kopf mit seinen
Händen. Ein unheimliches Raunen ging durch die Reihen der Zuschauer, gleich
mußte Andorgas’ Zakraa herniedersausen und dem Herausforderer den Hals
durchtrennen als sei er ein dünner Pflanzenstengel.
      Aber Andorgas zögerte. Nicht Athors Jammern
und Wehklagen war es, so bekannte er später vor Gericht, sondern die Erinnerung
an den uralten Schwur, der beide Sippen miteinander verband. Nein, das Wimmern
des dem Wahnsinn nahen Athor stieß ihn höchstens ab. Doch der Ruf aus ferner
Vergangenheit, die Stimme des Reichsgründers Berulf war plötzlich in ihm, und
er ließ die Zakraa sinken, sagte gar: “Geh Athor, Letzter der Dal Gemmricks vom
Geschlecht Gobeddas. Du hast den Tod verdient – nicht jedoch deine Sippe. Dich
würde ich ohne Zögern zu den Ahnen schicken, aber den ruhmreichen Namen der Dal
Gemmricks auszulöschen, das bringe ich nicht fertig. Ihr alle habt den Eid
längst vergessen, der einst das Geeinte Reich Tsalla schuf… Brannacks Blut soll
dir das Leben retten, Athor, auch wenn du es nie begreifen wirst…”
    Athor hockte noch im Sand, als
Andorgas längst gegangen war. Sein Geist hatte sich verwirrt in Todesfurcht, er
sabberte und ließ Wasser unter sich. Die strengen Regeln des Gymkhana aber
sahen nicht das Häufchen Elend als den, dessen Leben verwirkt war –

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