Copyworld: Roman (German Edition)
Plastikröhrchen wachsen. Die Fadenschaumspinne ist die geborene
Seifenblasen-Darstellerin und sie fordert ihren Partner immer zu höchster Meisterschaft,
denn sie akzeptiert keine künstlerische Konzeption, kein Regime. Sie tut
einfach, wonach ihr beliebt. Das erste Mal, als das Publikum schallend lachte,
war Hyazinth stocksauer. Inzwischen ist die Nummer eine beliebte Zugabe, und er
hat nicht weniger Spaß daran, Federchen hinterherzujagen als die anderen
Sigmatänzer. Den größten Spaß aber bereitet es gewiß der Fadenschaumspinne –
das entnimmt er dem gleißenden Funkeln, mit dem sie ihm von ihren Freuden und
Sorgen erzählt.
Hyazinth schließt die Fenster
seiner Wohnung und blickt prüfend in die Runde. In den ersten Tagen konnte er
sich nicht daran gewöhnen, die Wohnräume regelmäßig zu lüften. Genauso fremd
war ihm die intakte Klimakuppel über Szingold. Gehört hatte er davon, daß es so
etwas vor vielen Jahrzehnten gegeben haben soll, und immer noch kann er nicht
recht verstehen, warum die Zentralstadt auf solchen Luxus verzichten muß, wenn
er hoch im Norden eine Selbstverständlichkeit ist. Zwar ist es eine geringe
Mühe mehr, Fenster – das Wort erlernte er erst in Szingold – zu öffnen und zu
schließen, aber welch berauschendes Gefühl, in die Luft greifen zu können, die
Millionen Menschen atmen, ohne sich Stöpsel aus Kiemenkresse in die Nasenlöcher
zu stopfen!
Coromandel Mazarin hatte auch auf
diese Frage ausgesprochen bösartig reagiert: Ob er jemals an die gigantische
Energieverschwendung gedacht hätte und daran, daß diese Energie dem Projekt
Copyworld verloren ginge? Ob sein
analytischer Verstand so unter der künstlerischen Prägung gelitten hätte.
Mag sie recht haben oder auch
nicht. Projekt Copyworld – Hyazinth hat
es kennengelernt. Seine Erwartungen waren hoch als der oberste Projektant
Beryll Stein ihm auf Geheiß des Exarchen Sinn und Prinzip detailliert erklärte – aber sie wurden von der Wirklichkeit
übertroffen. Wie ein erweitertes Geo-Spiel hatte er sich die Scheinrealität
vorgestellt, oder ähnlich den Unterrichtsstunden in der Perzeptorzelle, ein
wenig auch wie ein Selbstspiel: Zwar frei handelnd in einer perfekten Illusion,
aber im Bewußtsein um den artifiziellen Charakter der Szenerie, wissend, daß
die Grenzen der Simulation unüberwindbar sind, weil sie tatsächlich das Ende
der jeweiligen Welt fixieren.
Beryll Stein hatte ihn vor dem
Büro des Exarchen mit allen Anzeichen von Ungeduld und Mißmut erwartet, und
erst als Hyazinth den arroganten Blick auf der Haut spürte, als zöge eine
Schnecke eine Schleimspur über sein Gesicht, da wurde ihm bewußt: Das ist der
Kerl, der mir Jade weggenommen hat! Augenblicklich quoll Feindschaft in ihm
auf, er musterte das teigige Etwas, in dem hellgrün zwei matte Lichter Strahlen
von Verächtlichkeit aussandten, und dumpfe Wut pochte in seinen Schläfen.
“Aha, das also ist der renitente
Wunderknabe, von dem im ganzen Kegelturm getuschelt wird…” Berylls hagere
Gestalt krümmte sich zu einer spöttischen Verbeugung.
“Aha, das also ist die
fleischgewordene Lebensversicherung, die der Hintern abgeschlossen hat, in dem
ich einst meinen Rammelzapfen zu verankern pflegte…” entgegnete Hyazinth
giftig.
Die Verblüffung ob solcher
Respektlosigkeit ließ Beryll für Sekunden erstarren, immer noch in seine
lächerliche Pose gekrümmt, blickte er in dämlicher Ratlosigkeit zu Hyazinth
hoch. Dann richtete er sich wie in einer Zeitlupenaufnahme auf, und seine Augen
gefroren zu kleinen, blitzenden Klümpchen.. Eiseskälte schien ihn zu umwehen
wie Nebelschwaden. Plötzlich jedoch lächelte er. Dieses feine Zucken in den
Mundwinkeln erschreckte Hyazinth, denn es war voller Siegesgewißheit…
“Nun gut, Liebling der Götter,
dein Maul ist wirklich wie der After eines Pavians – man hat nicht übertrieben
als man mich vor dir warnte…”
Hyazinth wollte sogleich
parieren, ihm lag etwas auf der Zunge, was ihn selbst als Gedanken derart
ekelte, daß er sich in grimmiger Befriedigung Berylls Gesichtsausdruck ausmalte:
Eine fette Eiterbeule stellte er sich anstelle des Kopfes dieses Affen vor, in
dem ein breiter Schnitt klafft, aus dem…
Aber vielmehr beschäftigte ihn
auf einmal die Frage, wen Beryll Stein mit “man” meinen könnte. Gab es
tatsächlich jemanden in Weltenstein, der so verächtlich von ihm dachte und
sprach? Der Gedanke beunruhigte ihn stark. Immer hatte er großen Wert darauf
gelegt,
Weitere Kostenlose Bücher