Copyworld: Roman (German Edition)
Hieb von Dereks Sichelaxt.
Seine Gefühle knirschten wie splitternde Knochen, und er meinte, gleich müsse
ihm wieder hellrotes Blut aus dem Mund sprudeln.
“Jade!” röchelte er, schier
besinnungslos vor Wut und Enttäuschung. “Weißt du überhaupt, mit wem du dich da
einläßt?”
Beryll lächelte kalt und
überlegen: “Sprich weiter, Wunderknäblein, der Hintern, in den du einst deinen
Rammelzapfen zu verankern pflegtest, lauscht ganz begierig.”
Hyazinth brüllte und schrie alles
hinaus. Besonders farbig schilderte er Berylls Aktivitäten im Liebestal. Jades
Eichhörnchenblick huschte verwirrt vom einen zum andern, aber noch sagte sie
nichts.
“Ich habe dich nie betrogen, nie
belogen, Jade!” keuchte Hyazinth atemlos. Da war plötzlich die Kontur eines rettenden
Strohhalms zu sehen, und er griff blindlings zu wie ein Ertrinkender.
“Aber dieser Mann”, er zeigte mit
einer Geste des Ekels auf Beryll, “ist nicht nur ein Meister der Lüge und des
Betruges, er ist die Inkarnation dieser Dinge schlechthin. Er ist unfähig, sich
selbst Glück zu verdienen, deshalb stiehlt er es bei anderen!”
Beryll lächelte immer noch eisige
Kälte, aber seine Augenbrauen zuckten, als erheitere ihn dieser Vorfall.
Ohne Atem zu holen redete
Hyazinth weiter, spie alles aus, was er an Groll und Abneigung gegen den
Obersten Projektanten hegte.
“Ist das alles wirklich wahr?”
fragte Jade plötzlich mit rührender Ungläubigkeit.
“Was denkst du, mein
Edelsteinchen? Unser Wunderknabe hat dir doch gerade versichert, ihm seien Lüge
und Betrug fremd.”
“Ist es wahr? Ich will es von dir
wissen”, beharrte Jade, schon energischer.
“Natürlich ist es wahr. Hyazinth
Blume spricht wie immer die reine Wahrheit.” Nun lächelte Beryll geradezu
zynisch. Jade schaute ihn erst fassungslos an, dann entdeckte Hyazinth in ihren
braunen Augen jenes Schillern, das auch in ihnen war, als sie die letzten
gemeinsamen Stunden verlebten.
“Du bist ein Schwein”, stellte
Jade nüchtern fest.
“Sicher, mein Edelsteinchen.
Deine Beobachtungsgabe ist phänomenal.”
Hyazinth wollte es nicht glauben.
Das war doch das Ende zwischen Jade und Beryll! Das war seine Chance!
Bevor er etwas unternehmen
konnte, stand Jade vor ihm, griff mit völlig ungewohnter Schüchternheit nach
seiner Hand und sagte: “Ich weiß, Hyazinth, Liebster, es ist schwer für dich.
Aber kannst du mir wenigstens dieses eine Mal noch verzeihen? Es war bestimmt
die letzte Regung des bösen und egoistischen Teils meines Innern, ich habe viel
gelernt…”
“So, das genügt. Wir wollen nicht
übertreiben!” sagte Beryll mit merkwürdigem Triumph in der Stimme, während
Hyazinth Jade, zitternd vor Erregung, in die Arme schloß.
“Das war ich dir für die
Lebensversicherung schuldig, Wunderknäblein.”
Hyazinth hörte gar nicht zu. Was
interessierte ihn Berylls dämliches Geschwätz, jetzt, wo er Jade wieder hatte.
Jade!
“Du hast geschlafen, Hyazinth.
Wir gingen durch die Eingangstür.” fuhr Beryll trocken fort. Irgendeine dunkle
Ahnung schlich sich nebelhaft in Hyazinths fast erloschenes Bewußtsein, drängte
sich zäh zwischen die Empfindungen und Gefühle, die ihn durchströmten wie
Sonnenlicht.
“Wach auf, Hyazinth Blume! Du
träumst nur einen Schopenhauertraum!”
Hyazinth brüllte noch vor Wut und
Haß, als sich die Glocke des Varioadapters hob und er in die grelle Helligkeit
der Perzeptorzelle blinzelte. Mit einem gewaltigen Satz sprang er empor und
stürzte sich auf Beryll. Zwei kräftige Arme rissen ihn zurück und schlangen
sich um ihn.
“Das ist Subprojektant
nullnullachtzweineun”, sagte Beryll gelassen. “Ich habe ihn gebeten, mir ein
wenig zu helfen, da deine Unbeherrschtheit leicht vorauszusehen war.”
Hyazinth trat und biß, er wand
sich wie ein Wurm und versuchte, dem hinter ihm Stehenden mit der Ferse in die
Weichteile zu treten. Die ohnmächtige Wut hatte ihn in eine rasende Bestie
verwandelt, und schon lockerte sich der Griff des unsichtbaren Angreifers, als
er seine Zähne in dessen Oberarm grub – da sagte Beryll verächtlich: “Bei allen
Mineralen der Welt! Wie dumm bist du, Wunderknabe! Hattest du ernstlich daran
geglaubt, Jade sei solch einer göttlichen Metamorphose fähig? Dachtest du
wirklich, sie wäre so sehr anders als ich? Du hast sie nie richtig
gekannt… Wie kann man denn unter dem Verlust einer Sache leiden, die man
nie wirklich besessen hat und niemals besitzen wird?”
Er hat recht!
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