Copyworld: Roman (German Edition)
mit
großartigen Schöpfungen zu füttern, denn sie sind nur Fragmente eines mächtigen
Denkens, Fragmente, die einzeln betrachtet keinerlei Sinn ergeben, banal und
trivial erscheinen, letztlich aber die Elemente jener höheren Qualität sind,
von der du gesprochen hast…”
In Berylls Miene spiegelte sich
Bestürzung. Lange Zeit schwieg er nachdenklich, und erst in der Kabine der
Labyrinthbahn sagte er bedächtig: “Du meinst also, Copyworld könnte sich seiner selbst als Einzelwesen
bewußt werden, die Schopenhauerwelten wären dann so etwas wie seine
schöpferische Phantasie, Antizipation oder auch nur Ruhepausen seine Geistes –
also Träume… Das wird nicht geschehen. Copyworld ist streng determiniert: Es soll ein gewiß
kolossales Überbewußtsein entwickeln, aber dies soll das intellektronisch
verstärkte Über-Ich von Milliarden Digs sein – nicht das einer Maschine.
RC wird das menschliche
Bewußtsein in eine neue Dimension heben, dabei aber immer Diener bleiben – wie
der Elefant, den ein sechsjähriger Junge führen kann. Die Entscheidungen werden
immer bei der menschlichen Komponente dieses unvorstellbaren Wesens liegen, und
warum soll menschlicher Geist in unseren armseligen Kosmos zurückkehren, wenn
er sich selbst ein Hypermultiversum schaffen kann? Begreif das doch endlich:
Die Beziehungen von Copyworld zur
äußeren Realität gehen über den Rahmen von Stoffwechselprozessen nicht hinaus!”
“Aber genauso hat die Evolution
der Vernunft begonnen!” entgegnete Hyazinth. “Am Anfang waren Essen und Trinken
als die Voraussetzung für die Selbst- und Arterhaltung. Die Intelligenz war
doch nur ein Faktor der höheren Effizienz, der dann allerdings eine eigene
Entwicklung nahm und sich verselbständigte – schließlich zum menschlichen
Bewußtsein führte, das letztlich Copyworld erschuf. Aber hier schließt sich doch der Kreis!”
“Du denkst sehr mechanistisch,
Wunderknabe”, tadelte Beryll. Und dann hielt er einen langen Vortrag über
Dialektik, in dem er Hyazinth zu beweisen suchte, daß intellektronisches Sein
notwendig die dem materiell-physikalischen Sein folgende, höhere Qualität sei.
Er verglich das Verhältnis zwischen Kosmos und höchstenwickeltem Copyworld mit dem Zusammenhang zwischen
Elementarteilchen – die völlig anderen Gesetzen gehorchen als kompakte Körper –
und der aus ihnen resultierenden, kompakten Materie. Aber es klang wenig
überzeugend, bei aller Leidenschaft, mit der Beryll sprach.
Doch eigentlich war das Hyazinth
alles ziemlich gleichgültig. Er mußte immer wieder an die zierliche Damara denken,
an Dajana und Dalaja. Irgendwie versöhnte es ihn mit allen Widersprüchen, die
er zwischen Berylls Erklärungen und der Praxis in Copyworld zu finden glaubte – irgendwie versöhnte es
ihn, daß man auch in einer abiologischen Existenz nicht unbedingt auf die
Sinneslust verzichten muß. Immerhin meinte er noch jetzt, eine gewisse,
wohltuende Erschöpfung zu spüren, obgleich das eigentlich unmöglich war…
Als sie schließlich den gläsernen
Schlauch durchquerten, der von der Hauptstation der Labyrinthbahn zum Kegelturm
der Hohen Exarchie führt, empfand Hyazinth das purpurne Schillern der Roten
Wolke, deren letzte Schwaden über Weltenstein dahinzogen, wie eine Mahnung zum
Überlegen.
Die Zentralstadt war wieder total
bewölkt, alles bedeckte ein dünner, aber intensiv radioaktiver Schleier aus
rötlichem Staub.
In einer Schopenhauerwelt genügte
ein simpler Befehl, und die Gefahr wäre ein für alle Mal gebannt…
Schon von weitem sah er Jade. Sie
winkte heftig und lief ihnen entgegen. Dann blieb sie abrupt stehen, und Hyazinth
sah, wie ihre Eichhörnchenaugen verlegen blinzelten.
Vergessen waren Damara, Dajana
und Dalaja. Furchtbares Brennen füllte seinen Schädel, und wie Phönix aus der
Asche erstand sein Haß auf, den er vergeblich mit der Vernunft hatte
niederringen wollen. Beryll zeigte sich völlig unberührt von der peinlichen
Situation, er ging Jade entgegen und hauchte ihr einen flüchtigen Kuß auf die
Wange.
“Hallo, mein Edelsteinchen!”
sagte er. “Du kennst meinen Begleiter, also muß ich euch nicht einander
vorstellen. Hast du die Karten für das Rosenquarzett?”
Auf Jades Wangen flammte Röte,
sie wagte es nicht, Hyazinth anzublicken.
“Alles eingespeichert”, flüsterte
sie, und dann schielte sie doch – mit einer gewissen Neugier, wie es schien –
zu Hyazinth hinüber. Den traf dieser Blick wie ein
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