Copyworld: Roman (German Edition)
durchzuckte es Hyazinth.
Fast im selben Augenblick brach er zusammen.
“Das ist Copyworld ”, sagte
Beryll. “Es erfüllt jeden Wunsch, selbst den geheimsten. Denn es kennt dich
besser als du selbst…”
“Du bist ein Schwein”, sagte
Hyazinth matt.
“Das Thema hatten wir schon.” Der
Oberste Projektant grinste breit. “Du kennst meine Antwort. Aber weißt du,
Schweine sind ungeheuer intelligente Tiere, und sie haben eine zarte Seele…”
“Du bist ein gottverdammtes
Schwein!” Hyazinth hatte noch einmal aufgebrüllt, dann setzte er sich auf den
Fußboden und heulte. Ihm war durchaus bewußt, sich der Lächerlichkeit
preiszugeben, und doch vermochte er nicht, die Tränen zurückzuhalten, ganz im
Gegenteil: Die Gewißheit, den Triumph Beryll Steins damit nur noch
abzurunden, ließ ihn jaulen vor Demütigung.
“Was für ein Kindskopf bist du
noch”, Hyazinth zuckte erschreckt zusammen, als Beryll zu ihm trat, sich
niederhockte und ihn sachte rüttelte. “Hättest du Jade jemals so gesehen, wie
sie wirklich ist, du wärst vor Angst davon gelaufen. Sei froh, daß dich das
Schicksal aus ihrem Spinnennetz riß, bevor sie dich fressen konnte. Solch eine
Hexe kann nur ein Teufel zähmen, und das bist du ganz sicher nicht, Hyazinth.”
Die Sanftheit in Berylls Stimme
verstörte Hyazinth. Was sollte das? Plante der Oberste Projektant eine noch
infamere Gemeinheit? Oder meinte er es tatsächlich ehrlich, sollte er diesen
Mann vielleicht doch zu oberflächlich eingeschätzt, verkannt haben?
“Du bist noch ein Kind,
Hyazinth”, fuhr Beryll leise fort. “Nur Kinder können mit solcher Explosivität
lieben… Du wärst fähig, mich auf der Stelle zu erschlagen, nicht wahr?”
Hyazinth nickte finster, obgleich
er genau wußte, dazu unfähig zu sein. Allein der Gedanke, ein Lebewesen –
gleich, ob Mensch oder Tier – zu töten, bereitete ihm Übelkeit. Aber was
geschehen wäre, hätte er vor wenigen Minuten Dereks Sichelaxt in den Händen
gehabt, das wagte er sich nicht vorzustellen. Womöglich hätte er eine Stimme in
sich gehört, die er bisher nie vernahm, die nur geschwiegen hatte, weil sie von
ihm nicht angerufen wurde… Er schüttelte sich, als der Frost dieser
unbestimmten Ahnung über ihn hinweg wehte.
“Freue dich, solch starke Gefühle
in dir zu haben. Ich könnte nie mehr um eine Frau kämpfen, würde schon das
Ansinnen als Kränkung empfinden – mein Stolz ist über alles andere hinaus
gewachsen. Stolz ist eine sehr gefährliche Eigenschaft, man benötigt Stärke, um
sie unter Kontrolle zu halten… Wenn du mich ein Schwein nennst, Hyazinth, dann
beleidigt es mich nicht – es macht mich neidisch auf die Unschuld, mit der du
durch unsere Welt irrst. Deine Unschuld ist stärker als mein Stolz… deshalb
bitte ich dich, mir zu verzeihen. Es sollte nur ein Denkzettel sein, eine
Kopfnuß, sollte wehtun, aber nicht verletzen. Du hättest nicht sagen sollen,
ich sei Jades Lebensversicherung… mit einem einzigen harten und deutlichen Wort
hast du mir klargemacht, daß ich ein alter Mann bin. Alt, weil ich die
Sorglosigkeit und Unbefangenheit der Jugend längst gegen Ehrgeiz und Erfolg
eingetauscht habe, weil ich damals den Ernst des Spiels Liebe nicht begriffen
habe und nun konstatieren muß: Ich habe immer nur um Kieselsteine gespielt und
über den Verlust gelacht. Heute würde ich um mich selbst spielen – aber ich
darf mich nicht mehr an euren Tisch setzen, weil mein Einsatz für euch wertlos
ist…” Seine Worte klangen resigniert, bitter. Hyazinth schaute den Obersten
Projektant sprachlos an. Fehlt nur noch, daß er jetzt auch noch anfängt zu
heulen, dachte er verblüfft.
“Hoffnung ist die einzige
nahrhafte Speise der Seele.” Beryll blickte ins Leere, seine Stimme war nur
noch ein Flüstern. “Wer keine Hoffnung hat, muß elend verhungern, oder bei
anderen Hoffnung und Glück stehlen… Da hast du ganz recht: Ich nasche am
intellektronischen Leben anderer, aber was soll ich denn tun? Verhungern?”
“Du hast doch Hoffnung! Du hast
Jade!” fauchte Hyazinth in wiedererwachendem Zorn.
Das Lachen Berylls klang so
zynisch, daß Hyazinth erschauerte.
“Jade? Hoffnung? Hoffnung aus
Granit, eine Seele aus kaltem Quarz, selbst fast unsichtbar, aber mit
schillernden und spiegelnden Flächen. Niemand hat Jade und wird sie jemals
haben, denn sie ist ein Trugbild, lebt eigentlich gar nicht. Ich kaufe mir
täglich ein kleines Stückchen dieses Trugbildes… nein, nicht wie du denkst.
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