Copyworld: Roman (German Edition)
Allerdings war ihm nie so bewußt wie in jenem Augenblick, daß es
eine der wichtigsten Funktionen der DTEA war. Warum weiß die Protektorgarde
nichts von diesem gräßlichen Haufen, der in aller Öffentlichkeit, mit einer
geradezu höhnischen Vermessenheit, seine Satansbeschwörungen zelebriert? fragte
er sich. Vermutlich fehlt denen tatsächlich eine Persönlichkeit wie Rutila.
Seltsamerweise sah er das
stämmige Mädchen in solch einer Plastizität vor sich, erinnerte sich auf einmal
ihres weichen, schwellenden Körpers, ihrer Lippen, ihres ungestümen Forderns
derart heftig, daß ihm dunkel bewußt wurde, es müsse da noch mehr sein, was
Frau und Mann aneinander bindet, als einzig der Vertrag über den gegenseitigen
Gebrauch der Geschlechtswerkzeuge. Ob Rutila das bereits gespürt hatte, als er
selbst nur an erotisch geformtes Weiberfleisch dachte, an das Strömen und
Wallen im Unterleib, als er eigentlich gar nicht dachte, sondern sich nur mehr
oder weniger widerstandslos beherrschen ließ von jenem Sog, der den Mann gierig
hineinzieht in das feuchte Dunkel, in seinen Ursprung zurückholt? Viel mehr war
da gewesen als bei Jade – war dies der Einklang ihres Denkens, der sich ihnen
nur nicht deutlich preisgegeben hatte?
Noch in der Kabine der
Labyrinthbahn grübelte er, waren seine Gedanken bei Rutila. Wahrscheinlich war
er nur deshalb der Kaltschnäuzigkeit fähig, mit der er sich den Empfang beim
Exarchen erzwang. Er dachte überhaupt
nicht daran, welch ungehöriges Verlangen es war, eine Audienz zu fordern –
eigenartigerweise war der Widerstand des Schutzpersonals äußerst dürftig. Wie
das erste Mal tuschelte man miteinander, maß ihn mit geheimnisvollen Blicken.
Der junge Arzt war erstaunlich wortkarg, wirkte beinahe verängstigt. Dann
endlich stand er vor Korund Stein, zu nächtlicher Stunde. Über dem gläsernen Dach
der Kegelturmspitze wirbelten träge die Schwaden der Roten Wolke. Weltenstein
lag versunken in purpurn glimmendem Dunkel, nur das Arbeitszimmer des
Ersten Exarchen war von mattem Licht erfüllt.
Korund Stein lächelte wieder
dieses entsetzliche Lächeln, bei dem sich erst die Oberlippe vorwölbt, dann
plötzlich zurückzuckt und die Schneidezähne, daß rosiges Zahnfleisch zu sehen
ist.
“Diese Prüfung hast du also auch
bestanden, lieber Hyazinth. Ich bin stolz auf dich.”
Prüfung? Hyazinth wußte zunächst
nicht, wie er die Worte zu deuten hatte. Wollte der Exarch etwa damit andeuten, er wüßte längst von der
Verschwörung, und er habe dieses Erlebnis für Hyazinth arrangiert, um sich mit
letzter Gewißheit seiner Ergebenheit zu versichern? Korund Stein tippte mit dem
Zeigefinger auf einen der vielen Monitore auf seinem Schreibtisch und sagte:
“Jeder deiner Gedanken war der eines aufrechten Märtyrers, und selbst deine
anfänglichen Bedenken und Skrupel ehren dich, sind kennzeichnend für die
Leidenschaft, mit der du unserer Sache dienst, denn sie sind wie ein
Felsmassiv, das man bezwingen muß, um endlich hinter alle Horizonte blicken zu
können. Du hast mich sehr erfreut, Hyazinth. Und nun erwache…”
Das Lächeln des Exarchen wurde zu
einem verzerrten Grinsen, das Bild floß auseinander, und als sich der
Adapterdeckel des Perzeptionsplatzes hob, blieb Hyazinth kraftlos liegen.
Beinahe hätte er sich erneut auf
Beryll gestürzt, aber schließlich lachte er nur trocken auf und schüttelte den
Kopf.
Schließlich fragte er den Obersten
Projektanten, der ihn abschätzend musterte: “Und was bringt der nächste Akt?
Allmählich finde ich Gefallen an dieser Wanderung durch Copyworld ’ Labyrinthe.
Darf ich annehmen, daß es sich im letzten Fall tatsächlich um eine
Gesinnungsprüfung handelte – oder wolltest du mir eine Falle stellen?”
Beryll wich einer direkten
Antwort aus.
“Du hättest eigentlich merken
müssen, daß du wieder in einer Schopenhauerwelt herumstolperst”, sagte er
ernst. “Meinst du tatsächlich, Widerstand würde sich auf solch alberne Weise
formieren und organisieren? Sind dir die logischen Ungereimtheiten nicht
aufgefallen? Du hast die Prüfung bestanden… aber gerade so, keineswegs mit
Auszeichnung. Ich habe dich geprüft, nicht unser hochverehrter Undsoweiter. Du
hast mich ein wenig enttäuscht, Wunderknabe…”
“Ich habe dich unterschätzt”, gab
Hyazinth widerstrebend zu. “Hättest du dich selbst als Anführer dieser
Verschwörung präsentiert, wäre ich womöglich mißtrauisch geworden. Aber es war
ein
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