Copyworld: Roman (German Edition)
ich
gerettet gewesen. Errätst du, warum?”
Derek denkt angestrengt nach,
dann leuchten seine Augen plötzlich auf. “Aber ja! Du hättest richtig geraten,
und zum Lohn wär’ dir das Schwert bestimmt gewesen! Dann aber wäre es die
falsche Lösung, denn du sagtest: Feuertod! Man kann es drehen und wenden wie man will - das richtige Wort rettete
dich in jedem Fall. Nur das Schwert durftest du nicht wählen. Dann wärest du
verloren gewesen. Auch in jedem Fall! Welch eine teuflische Heimtücke!”
“Falsch, lieber Derek! Nicht
teuflisch und auch nicht Heimtücke. Göttliche Gnade wurde mir gewährt! Ich
selbst mußte entscheiden, hatte allein es in der Hand. Mein Verstand war
Richter über mich, keines Gottes Willkür. So lob’ ich mir die Götter. Laß’ sie
doch Welten schaffen und die Gesetze dieser Welten, solang wir Menschen Herren
unsres Schicksals bleiben! Übrigens...vor Jahren einmal hat Jorx einen
Verurteilten begnadigt, nachdem dieser das Rätsel ebenfalls zu seinen Gunsten
löste...es war Demodas, ein intriganter Schurke. Der König begnadigte ihn zu
lebenslangem Kerker, hahahaha!”
“Sonst wäre er frei gekommen?”
Andorgas nickt düster.
“Sonst wäre er frei und würde
weiter Gift in den Wein unserer segensreichen Einigkeit mischen können. König
Jorx handelte sehr weise.”
“So war die Begnadigung
eigentlich die Strafe? Aber das Gericht kann doch nicht einen zweiten Spruch
fällen, wenn das erste Urteil nicht vollstreckbar ist! Ganz gleich, was für ein
Teufel der Verurteilte auch sein mag. Darf man denn Recht brechen, um Recht zu
sprechen?” Derek ist die ganze Angelegenheit ziemlich unheimlich. Wie die Thar
mit ihren Gesetzen umgehen, das riecht nach Despotie, Tyrannei.
“Nicht das Gericht sprach ein
zweites Urteil. Der Souverän machte von einem seiner wichtigsten Rechte Gebrauch, indem er Gnade
walten ließ und Gerechtigkeit herstellte. Willst du es nicht verstehen?”
Derek überlegt. Wie oft hat er
selbst doch schon Gnade vor Recht ergehen lassen, insbesondere dann, wenn die
Buchstaben des Gesetzes keinen geeigneten Rahmen hergaben, um die verworrene
Sachlage sinnvoll ordnen zu können. Aber es war immer eine Gnade für den
Verurteilten! Kann man denn auch gnädig gegen den Empfänger der Gnade handeln?
“Aber ist es denn gerecht und
Gnade, wenn statt in die Freiheit dieser Demodas ins Verließ kam?”
“Er ist nach dem Gesetz zum Tode
verurteilt worden und -”
“- und hat wie du dem Tod legal
entrinnen können!” unterbricht Derek ihn erregt.
“- und wurde unter strikter
Wahrung der Jurisdiktion des Geeinten Reiches Tsallas zu lebenslanger
Kerkerhaft begnadigt! Was für ein Rechtsverständnis habt ihr in Seemark, daß du
das nicht begreifen kannst?”
“Ich sagte es bereits an der
Tafel: Die Gesetze sind die Knochen im Leib des Reiches, sie stützen das
Fleisch, halten es zusammen...”
“Sind sie aber nicht eher wie
eine eiserne Rüstung? Nicht nur Halt und Stütze, sondern auch Schutz vor
Gewalt?” Andorgas grinst listig, doch Derek ist so in Gedanken versunken, daß
er es übersieht.
“Aber ja, du hast recht!” ruft er
erfreut aus und will noch etwas hinzusetzen, aber da kommt ihm Andorgas zuvor.
“Und hast du noch nie unter dem
Gewicht deiner Rüstung gestöhnt, ihre Enge verflucht, die deine Beweglichkeit
einschränkt? Für uns ist der Große Kodex viel eher wie ein strahlendes Licht, das uns die Düsternis der Wirklichkeit
erhellt, uns Pfade durch das Chaos menschlicher Begierden und Schwächen weist.
Und wenn dieses Licht der Gesetze einmal die Augen blendet...nun, dann muß man
es eben etwas verdunkeln mit einem Schirm aus Vernunft. Oder sieh es so, wenn
dir das Bild von etwas Hüllendem, Formendem begreifbarer ist: Was ist ein noch
so kostbarer Weinkrug ohne Wein? Das Regelwerk der Gesetze ist wie solch ein
Krug. Ohne den Wein menschlichen Verstandes ist dieser Krug nichts als ein
Staubfänger in irgendeiner Vitrine.”
Derek grübelt noch angestrengter.
Wie oft hat er den geringen Spielraum verflucht, den ihm Ealtheas Gesetz, nicht
nur in der Rechtssprechung, beläßt. Für alles hat die Urmutter eine Regel, eine
Weisung, einen Weg niedergeschrieben. Und abzuweichen von diesen Wegen gilt in
Seemark als Todsünde. Aber noch nie hat er es gewagt, mit List und Witz den
Worten einen anderen Sinn abzuringen, Doppeldeutiges zu suchen, Verborgenes
aufzuspüren. Wie konnten alle bisherigen Herrscher Seemarks eigentlich
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