Copyworld: Roman (German Edition)
will auf mein
Sensorareal! denkt Hyazinth. Das wird sie nicht wagen! Nicht einmal Rhomega
wagt einen Zweikampf auf ein und demselben Hexagon, sie muß doch wissen, daß
nur die Intensitätsbegrenzer zwischen den einzelnen Arealen vor körperlicher
und seelischer Überlastung schützen können! Wenn sie auf meinem Hexagon tanzt,
könnte ich sie töten, wenn ich das wollte!
Komm nur! Diesen Tanz sollst du
nie in deinem Leben vergessen.
Hyazinth lächelt grimmig. Da hört
er auf einmal ein sanftes Zirpen über sich, und im selben Moment schlägt das
zerschmolzene Ende des Platinkettchens gegen seine Schulter. Federchen! Sie hat
sich wieder befreit.
“Hau ab!” zischt er böse.
Federchen schwebt davon, ärgerlich pfeifend, verharrt unschlüssig, als Hyazinth
keinerlei Anstalten unternimmt, sie wieder einzufangen.
Inzwischen hat Tauphi den Rand
seines Sensorareals erreicht. Immer noch beutelt er ihren Körper mit harten,
wollüstigen Stößen und Schlägen, aber irgendetwas hat sich in ihren Bewegungen
verändert. Sie wirken jetzt weich und nachgiebig, und auch aus ihrem Gesicht
ist der Ausdruck von Abscheu gewichen. Ihre Haltung drückt Trauer aus,
Melancholie. Mit einem herrischen Sprung zerrt er sie auf sein Hexagon. Tauphi
folgt diesem Stoß mit einem elastischen Schritt, ihr Oberkörper schwingt
federnd nach hinten, und sie öffnet die Augen. Für einen winzigen Moment
verharrt Hyazinth. Was er für Schweißperlen hielt, sind Tränen. Sie glitzern
auf ihren Wangen wie Tau, und in den Augenwinkeln bilden sich erneut silbrige
Tropfen.
Ha! Beklage ruhig die weitere
Niederlage deines Gottes! Er ist doch nur ein Götze, der in den Staub fiel!
denkt Hyazinth, aber er schafft es nicht, die Betroffenheit abzuschütteln, mit
der ihr Blick ihn füllt.
Verdammt, wie kann eine Frau um
solch einen Affen weinen! Der könnte sie schlagen und treten – trotzdem würde
sie ihm nachlaufen, geduldig auf ein Wort, eine Geste warten. Verdammt,
verdammt, verdammt! Wie blöd Frauen doch sind. Hyazinths Gedanken strudeln im
Rhythmus seines Tanzes, wirbeln in die Arme und Beine.
Sie wäre die einzige für mich.
Bedeutet ihr das nichts? Ich wäre ihr Sklave, würde sie durchs Leben tragen, so
daß der Schmutz dieser Welt nie mehr ihre Füße entweihen könnte… Er wird
ruhiger, nimmt verwirrt wahr, wie seine heftigen Bewegungen in Tauphis Echo
fließend und leicht werden. Sie widersetzt sich ihm mit keiner noch so geringen
Geste, aber ihr Tanz ist federleicht, schwebend, beinahe hingebungsvoll. Bei
allen Göttern! Mädchen begreife doch endlich, daß ich dich liebe! Alle können
es sehen – warum erkennst du es nicht?
Tauphi erbebt leise wie unter
Frosthauch.
Da stockt Hyazinth fast der Atem,
Sollte es wirklich wahr sein, was er da in ihrem Tanz sieht? Nein, nein – er
will es nicht glauben.
Flüchtig nimmt er wahr, daß
sämtliche Sensorareale außer seinem erloschen sind. Die Tänzer sitzen oder
liegen und schauen erwartungsvoll auf Hyazinth und Tauphi, unter deren Füßen
das Hexagon dunkelrot strahlt.
Tauphi folgt jeder seiner
Bewegungen mit diesem unmerklichen Zittern. Sie blickt ihn unverwandt an. Kein
Lächeln, aber auch kein Widerstand.
Rauhreif, denkt Hyazinth. Ich bin
Rauhreif für sie. Die Erkenntnis ist wie ein Stich. Nein, ich bin… ich bin der
Morgen. Der Frühlingsmorgen, sie ein Schneeglöckchen. Rhomega ist das Schaf,
das über die Weide läuft und alles zertrampelt, was es nicht hinunterschlingt.
Ich bin der Morgen.
Es wird der schönste Pas de deux,
den er je tanzte.
Tauphi spürt es sofort, als er
die mentale Übermacht seiner Gedanken drosselt, ihr damit Gelegenheit gibt,
eigene Gefühle und Ideen auszudrücken. Mit einem letzten, sanften Schubs hat er
ihr eine Blumenpose aufgezwungen und gespürt, wie sie bereitwillig hineinglitt
in die Bewegung. Jetzt tanzt er das Morgenrot, sie umschmeichelnd und wärmend.
Tauphi biegt sich träumerisch in seine Arme. Die Blume öffnet ihren Kelch dem
Sonnenlicht.
Alles ist vergessen. Beinahe ist
ihm, als seien seinem Herz Arme und Beine gewachsen, als sei es ihm aus der
Brust gesprungen und tanze seine Werbung für Tauphi.
Sie geht auf jede seiner Figuren
ein, als wüßte sie schon vorher, was er plant. Sie schwebt hoch über seinem
Kopf und schmiegt sich zart an ihn.
Als es vorüber ist, steht
Hyazinth wie benommen da.
Tauphi löst sich energisch aus
seiner Umklammerung und sagt leise: “Das war meine Rache, Hyazinth Blume.”
Im Johlen und Brüllen
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