Copyworld: Roman (German Edition)
spinnst! Du und
abstürzen, ha! Willst du mich verarschen? Bei dir stehen sie doch Schlange!”
“Bei dir auch.”
“Aber nicht meinetwegen. Sie
drängeln sich ins Scheinwerferlicht, das ist alles. Und das Licht heißt
zufällig Hyazinth Blume”, antwortet Hyazinth traurig. “Meinst du, das wüßte ich
nicht?” Er erinnert sich dunkel an Beryll, der ihm einst sagte, Macht und
Ansehen zögen Frauen an wie Kerzenschein die Motten, die wunderbarsten Falter
aber flögen nur im alles wärmenden Licht der Sonne und seien unerreichbar für
jene, deren Leuchten in der Helle des Tages verblaßt, die nur in der Nacht
geistiger Armseligkeit mit ihren Strahlen zu blenden vermögen. Und dann hatte
er davon gesprochen, nur physische Schönheit sei Gewähr für das Erleben
wirklicher Liebe, und alle Versuche, diesbezügliche Mängel zu kompensieren,
wären ein lächerlicher Affentanz.
“Du bist schön, Rhomega. Früher
dachte ich, auch ich sei schön. Ich habe einfach nicht begriffen, daß die
Mädchen meines Lebens die Perspektive mochten, die sich ihnen an meiner Seite –
ich war ein sehr guter Märtyrerschüler – eröffnete. Bis auf eine… ich weiß bis heute
nicht, was Rutila…”” Er unterbricht sich nachdenklich. Rutila. Das war alles
ganz anders mit ihr in dieser kurzen Nacht.
“Du aber – die Frauen laufen dir
nach, obwohl du dich ihnen gegenüber wie ein Schwein verhältst. Wie kannst du
jemals abstürzen?”
Rhomega lacht rauh auf. “Besten
Dank für das Kompliment. Du meinst also, ich sei ein Schwein. Nein, nein, du
hast es gesagt, und viele andere sehen es ebenso. Das ist mir egal. Notwehr
gilt nicht als strafwürdig. Junge, zweimal in meinem Leben habe ich mich völlig
aus der Hand gegeben, mich bedingungslos ausgeliefert in dem fatalen
Irrglauben, Ehrlichkeit, Verzicht auf jederlei Dominanzstreben sei der
sicherste Weg zu einer idealen Partnerschaft. Zweimal abgestürzt. Zweimal
schwere Frakturen der Seele davongetragen. Ein drittes Mal will und darf ich
mir die Seele nicht brechen – sie würde nie wieder zusammenwachsen. Ich starte
nicht mehr, ich habe eine höllische Angst vorm Fliegen, obwohl ich jetzt erst
weiß, wie schön es ist. Nein, lieber laufe ich mit einem Dutzend Mädels im
Kreis, bleibe brav auf der Erde und trample mir eine Rinne in den Boden meines
Lebens.” Er schweigt düster. Hyazinth bringt es nicht über sich, nach diesen
beiden Erlebnissen zu fragen, obwohl ihn brennend interessiert, ob nicht vielleicht
Tauphi damit zu tun haben könnte.
“Hast du schon einmal daran
gedacht”, fährt der andere fort, ”daß es noch etwas ganz anders geben könnte,
eine gänzlich andere, aber irgendwie noch tiefere Liebe als die zur Frau?”
Hyazinth weicht unwillkürlich
einen Schritt zurück. Oh, ja! Daran hat er schon gedacht, und seit jener
furchtbaren Nacht mit Narziß weiß er genau, daß das bei ihm nicht geht. Er
hätte heulen können vor Scham und vor Wut darüber, daß er dem Freund nicht
geben konnte, wonach dem verlangte. Und danach war ihr Verhältnis von
eigenartigen Spannungen überlagert, die sich erst recht verstärkten, als
Tagetes plötzlich sehr zutraulich und anhänglich wurde, ohne Scheu gegen Narziß
stänkerte und irgendwann ziemlich plump zu verstehen gab, ausgesprochenes
Verständnis für Leute zu haben, denen eine gewisse Fülle des Leibes mehr
Anregung verspricht, als ein so dürrer Arsch wie der von Narziß. Damals hat
Hyazinth schrecklich lachen müssen, und danach wandelte sich Narziß’ Verhalten
von feindseliger Freundschaft zu krankhaft abhängiger Rivalität, die mit
sorgsam kalkulierter Demut eigene Vorzüge zu präsentieren trachtete.
Und nun Rhomega! Hyazinth
stottert überrascht: “Das… das… das haut bei mir nicht hin… ehrlich… wirklich…
ich weiß das genau…”
Da grinst Rhomega und schüttelt
belustigt den Kopf, daß die winzigen Zöpfchen, die ihm wie Stacheln vom Schädel
abstehen, heftig wackeln.
“Du denkst wohl bloß in genitalen
Dimensionen. Ich sprach von Gefühlen, deren Ursprung einen halben Meter über
der Schambehaarung zu suchen ist.” Dabei klopft er sich gegen die Brust.
“Ach so. Du meinst die Liebe zu
unserem hochverehrten Ehrenmärtyrer, die Liebe zur großen Idee von der Wende,
zu all meinen Märtyrerschwestern und -brüdern”, antwortete Hyazinth eifrig und
setzt etwas unentschlossen hinzu: “Ja… das ist natürlich eine viel edlere,
reinere…”
“Blödsinn! Dann fick dich lieber
selbst zwischen die
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