Copyworld: Roman (German Edition)
auf einen
zwar zahlreichen, jedoch eng begrenzten Personenkreis reduziert. Daß der
Sigmapalast jeden Abend in den Fugen kracht, hat wenig zu bedeuten. Hier
versammelt sich nicht einmal ein einziges lausiges Prozent der Einwohner der
Megastadt. Die meisten gehen nach der Arbeit anderen Beschäftigungen nach,
höchst merkwürdigen, unverständlichen Tätigkeiten, wie Hyazinth gehört hat.
Zweifellos deutet das darauf hin, daß die genetischen Defekte sich in dieser
Region besonders in geistiger Aberration manifestieren, und allem Anschein nach
sind die Sigmatänzer die am wenigsten Betroffenen. Ob Korund Steins Plan dies
ins Kalkül gezogen hat, oder wollte er nicht vielmehr die anderen neunundneunzig
Prozent in Hyazinths Gefolge einreihen?
Hyazinth wischt den Gedanken
beiseite. Selbst dieses Hundertstel, das ihm allabendlich zujubelt, ist eine
schier unübersehbare Menge, die zahlenmäßig noch von der Masse derjenigen
übertroffen wird, die sich vergebens vor den Toren des überfüllten Tanzpalastes
drängen.
“Kompliment, großer Meister.”
Rhomega steht plötzlich neben
ihm, in einem purpurn funkelnden Trikot, das wie eine Flamme an ihm
emporzüngelt. In seinem Gesicht ist ein für Hyazinth völlig neuer Ausdruck:
Angst. Das erste Mal schimmert durch die Miene krampfhaft hervorgekehrter
Selbstsicherheit die Furcht vor der unausweichlichen Niederlage. Einen
Augenblick keimt in Hyazinth Mitleid, aber er zwingt sich zu abweisender Kälte.
“Danke, Rhomega. Ich denke auch,
es war gute Arbeit.”
“Ich habe es gewußt. Du hast die
ganze Zeit nach Tremakut gesucht, ohne dir dessen bewußt zu sein. Als ich dich
in seinem Konzert sah, war mir klar, daß diese Musik dich nicht mehr loslassen
würde…”
Rhomega verzieht bekümmert das
dunkelgetönte Gesicht. Die Haltung seiner athletischen Figur wirkt heute
kraftlos, sogar die winzigen Zöpfchen, die zu dutzenden von seinem Schädel
abstehen, scheinen erschlafft herabzusinken.
“Jaja, es war gute Arbeit”,
wiederholt Hyazinth selbstzufrieden,
schon weniger unfreundlich.
“Nein, es war schlecht!”
Tauphis piepsige Stimme. Hyazinth
schnellt herum. Sie steht da und mustert ihn nachdenklich, dieser Blick läßt
ihm das Blut zu Kopf steigen und die Ohren erglühen.
“Kein anderer kann es so wie du –
und trotzdem war es schlecht, denn du kannst es noch viel besser.”
Hyazinth schluckt verwirrt. War
das nun Lob oder Tadel? Vergessen ist der Beifallsorkan. Nur Tauphis Urteil
zählt.
Sie steht da und schaut ihn an,
aus großen, leicht hervortretenden Augen von einem tiefen Blau, wie es der
Osthimmel zur Stunde des Sonnenuntergangs annimmt. Ihre hauchdünnen Lider sind
wie immer leicht geschlossen, so daß ein feines Netz von Äderchen sichtbar
wird, wie die feinen Linien im Labradorit, ebenso bläulich. Das gibt ihrem
Blick etwas puppenhaft Starres. Der ganze Kopf wirkt wie zerbrechliches
Porzellan, wodurch der normal proportionierte Mund etwas zu groß erscheint.
Aber vielleicht ist es gerade das, was seiner Kontur jene magische
Anziehungskraft verleiht, daß Hyazinth sie am liebsten an sich reißen, sich
hundert Arme wünschen würde, sie umschlingen zu können.
Sie trägt die Haare kurz und
einfallslos frisiert, nur ein paar glitzernde Streifen deuten auf den Vorsatz,
der Mode zu folgen. Statt schlank ist sie eher dürr, fast ein Strich. Und
trotzdem könnte Hyazinth jedesmal fast den Verstand verlieren, wenn er Tauphi
begegnet. Gewiß hatte er schon hübschere Mädchen, und hier im Saal wimmelt es
von Schönheiten, die sich ohne Zögern zu ihm legen würden.
Sie alle interessieren ihn nicht,
seit er Tauphi das erste Mal richtig sah. Ihre Zartheit, diese
Durchsichtigkeit, das Schweben, mit dem sie sich durchs Leben bewegt, die
Sanftheit, mit der sie Dinge sagt, die bei anderen grob und häßlich klingen
würden – Hyazinth ist wie verzaubert.
Es ist ganz anders als bei Jade.
Das wurde ihm bewußt, als er irgendwann feststellte, daß Jade in seinen
Erinnerungen nur noch ein Schattendasein fristet.
“Du kannst es viel, viel besser.”
Sie sagt es mit einer plötzlichen
Gleichgültigkeit, die Hyazinth deprimiert. Dabei schaut sie ihn nicht einmal
an, sondern versucht, einen Blick von Rhomega zu erhaschen, der sie nicht
einmal beachtet.
Hyazinth beißt vor Wut die Zähne
aufeinander.
Da ist nichts bei ihr, aber auch
gar nichts! hämmert es in ihm. Ich habe keine Chance. Wenn es nicht bei der
ersten Begegnung funkt, geht nichts. Man kann strampeln
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