Copyworld: Roman (German Edition)
erstarrenden
Block aus flüssigem Glas eingeschlossen.
...emergency... sudden death... emergency... sudden death...
emergency... sudden death....
Rhythmisch flackern diese Wörter
in grellrot leuchtenden Buchstaben vor ihm auf. Proteus hat Mühe, sich zu
konzentrieren. Immer wieder entgleitet ihm sein Bewußtsein und sinkt in die
eisigen Tiefen eines fremden Meeres hinab. Seltsame Wesen mit einem kurzen Horn
mitten auf der Stirn starren ihn zornig an, stoßen ihn mit ihren Flossen. Aber
in ihren großen braunen Augen ist nicht nur Zorn, sondern auch ein warmes,
mitleidiges Glühen....
...emergency... sudden death... emergency... sudden death...
emergency... sudden death....
Verdammt, irgendetwas ist
schiefgelaufen! Copyworld hat einen Notabbruch verfügt. Ganz langsam begreift
Proteus. Sudden death - die
Todesblockade hat sich aktiviert! Im Programmablauf ist irgendwo eine Divergenz
aufgetreten, die eine ganze Kaskade von Fehlschaltungen im Teraflopbereich
ausgelöst haben muß!
Proteus gibt in Windeseile eine
Reihe gedanklicher Befehle und startet einige hundert Suchmaschinen. Den
Highspeed-Navigator für solche Operationen hat er selbst programmiert und vor
den anderen Projektanten der Hohen Exarchie sorgsam geheimgehalten. Denn im
Netzwerk von Copyworld gibt es nur einen einzigen Machtfaktor: Geschwindigkeit.
Allerdings gibt es einen Navigator, der schneller ist als sein Webflash. Er
nennt sich G*Null*D, und Proteus ist es noch nicht gelungen, ihn zu
identifizieren.
G*Null*D ist gut, saugut! Der liftet durch eine
Millionen Sub-Ebenen, als wären das die Schaltkreise eines urzeitlichen
Radioweckers. Deshalb ist G*Null*D einfach nicht zu fassen. Nur eines weiß Proteus ziemlich sicher - daß
dieser Navigator nicht von einem seiner ehemaligen Projektanten-Kollegen ist.
Dazu sind diese exarchistischen Hohlköpfe einfach zu blöd. Aber wer, verdammt
nochmal, ist noch besser als der Beste der Besten?
Es gäbe da eine Erklärung: Der
Superlevel - wenn er wirklich existiert, dieser theoretische Geist von
Copyworld... Proteus wagt nicht, daran zu denken. Dabei stammt diese Theorie
von ihm selbst. Sie ist so einfach wie furchteinflößend. Ab einer gewissen
Kapazität an Teraflops muß sich im Netzgefüge von Copyworld ein übergeordnetes
Bewußtsein herausbilden, etwas wie ein Weltgeist - das hatte Proteus einst
mathematisch unanfechtbar bewiesen und dafür von seinen exarchistischen
Kollegen nur Spott geerntet. Einzig Beryll hatte mit glitzernden Augen zugehört
- und geschwiegen. Aber das kränkte ihn nicht, im Gegenteil: Es gab ihm ein
sicheres Gefühl der Überlegenheit. Und während sie sich ihre Märtyrerköpfe über
die Interpretationen der Generalgebote zerbrachen, berechnete er die möglichen
Konfigurationen von Res Cogitans , wie er seinen intellektronischen Dämon
nannte. Wenn es einst so weit sein würde, wüßte er, wonach er suchen müßte...
Proteus jagt durch
Subnet-Hierarchien und Superweb-Geflechte. Vielleicht ist es ja schon so weit.
Nicht das erste Mal weicht das Programm deutlich von seinen Vorgaben ab.
Karthoota von Bunduruk - dieses Monstrum ist zweifelsfrei nicht eine Ausgeburt
seiner eigenen Grundkonzeption. Aber wer hat ihm das in sein romantisches
Seemark hineingebastelt? Res Cogitans? Vielleicht ist es auch ganz anders,
vielleicht kommt das alles aus dem faszinierenden Gehirn dieses jungen Mannes.
Wenn der wüßte, was in seinem Unterbewußtsein vorgeht! Der gebraucht ja nicht
einmal zwei Prozent seines erstaunlichen Gehirns bewußt, und diese zwei Prozent
vergeudet er mit banalstem Unfug. Wie hat Proteus sich schon über den
Jungmärtyrer Hyazinth geärgert - und wie oft hat er sich zu dem Glücksgriff
gratuliert, ausgerechnet diesen kleinen Dummkopf zur Basismatrix für Derek
erwählt zu haben. Denn Proteus leidet unter einem Mangel, den ausgerechnet beim
Schöpfer von Copyworld niemand vermuten würde: Er hat keinerlei poetische
Phantasie. Wenn er Ströme von Informations-Partikeln imaginieren muß, bereitet
ihm das keine Probleme, aber er ist völlig unfähig, sich einfach nur ein
Gesicht vorzustellen. Deshalb hat er das Prinzip der Basismatrix erfunden: Das
Unterbewußtsein anderer dient als Rohstoff für die Weltenkonzeption, denn das
fremde Unterbewußtsein kann er gezielt beeinflussen und muß sich selbst dabei
keiner Gefahr aussetzen... Diese Idee stieß beim Ersten Exarchen auf
allerhöchstes Wohlwollen, und das Umprogrammieren der Wächter war
Weitere Kostenlose Bücher