Copyworld: Roman (German Edition)
verbringen, denn es läßt sich bereits schwer
atmen durch die gequollenen Fasern der Kiemenkresse. Das Tempo der Zöloplane
jedoch ist ein sehr gemächliches, und einige Minuten werden sie wohl noch
brauchen.
Widerwillig setzt er sich in
Bewegung, wie ein Ballettänzer die Knie hebend. Nach wenigen Schritten rutscht
er das erste Mal aus und kann sich gerade noch fangen. Federchen quietscht vor Schreck auf, bläst hastig Gas in ihren
Atemkropf und schwebt sicherheitshalber empor. Kaum hat er einen weiteren,
vorsichtigen Schritt gewagt, schlittert er wieder mit den Armen rudernd über
die Straße. Ratlos bleibt er stehen. Beinahe wäre er gestürzt, und das will er
auf jeden Fall vermeiden. Der Gestank ist so schon unerträglich – aber
mittendrin liegen in diesem scheußlichen Zeug, das würde ihm das Innerste nach
außen stülpen. Hyazinth steht unentschlossen da und starrt auf die
näherrückenden Zöloplane. Sie tun Menschen nichts zuleide, heißt es,
wahrscheinlich werden sie ausweichen, einen Bogen um mich machen, denkt er. Da,
wo er steht, ist ungefähr die Mitte der Skulpturenallee, und der dritte
Zöloplan hält genau auf ihn zu, unbeirrbar. Bald sind es nur noch drei oder
vier Meter Distanz, und das Wesen macht keinerlei Anstalten, seinen Kurs zu
ändern. Hyazinth wird es unbehaglich, auch Federchen scheint die Sache nicht
geheuer, sie flattert aufgeregt hin und her und zerrt an dem Platinkettchen.
Möglicherweise waren die Urahnen der Fadenschaumspinnen und dieser Mollusken
nicht gerade Freunde, niemand weiß mehr Genaues über das Leben in der
Jupiteratmosphäre. Sicher dürfte zumindest sein, daß es auch dort Jäger und
Gejagte gab.
Als der Zöloplan nur noch eine
Armlänge weit entfernt ist, wagt Hyazinth einen verzweifelten Ausweichversuch.
Aber sofort verliert er das Gleichgewicht, hört noch Federchens schrilles
Kreischen, dann wird ihm das Kettchen aus der Hand gerissen, ein sanfter Stoß
in den Rücken richtet ihn wieder auf, und eine warme, samtige Masse umfängt
ihn. Erst begreift er nicht, was geschehen ist. Wie durch eine Mauer hindurch
hört er schwach Federchens wütendes Kreischen. Um ihn herum ist alles
verschwommen und verzerrt sichtbar, als befände er sich in einem Block
erstarrter Glasschmelze. Dicht vor seinem Gesicht pulsieren dunkelrot glimmende
Schläuche, wandern gemächlich aus seinem Blickfeld, wie überhaupt alles, was
ihn einschließt in einer gewissen, strömenden Bewegung scheint.
Ich bin in dem Zöloplan!
durchfährt es ihn. Sein Atem geht vor Erregung stoßweise und dadurch wird ihm
das Unsinnige der Situation bewußt: Er vermag zu atmen, mitten in dem Leib
eines dieser Tiere. Vorsichtig bewegt er sich und kann beobachten, wie die
seltsamen Innereien des Tieres seinen ausgestreckten Händen ebenso vorsichtig
ausweichen als führten sie ein eigenständiges Leben in dem Organismus der
Riesenmolluske.
Wenn es mich nun verdaut! Der
Schreck läßt ihm fast das Blut in den Adern gerinnen. Er versucht verzweifelt,
sich freizukämpfen, aber je heftiger seine Bewegungen werden, desto mehr
Widerstand setzt ihm die durchsichtige, samtige Massen entgegen. Nach wenigen
Sekunden hält er erschöpft inne. Seine Gedanken überschlagen sich. Ihm ist, als
brenne es schon überall auf der Haut vor ätzenden Magensäften, dann aber wird
ihm auf einmal bewußt, daß die Molluske ja erst das Mykorrhizatrikot zersetzen
müßte, und ihm wird mit Erleichterung klar, daß es der Angstschweiß ist, was
ihm da über den Körper läuft und kein Magensekret. Allmählich beruhigt er sich
und beginnt, seine Lage zu analysieren. Immer noch umströmt ihn dieses samtige
Etwas – also bewegt sich der Zöloplan unbeeindruckt weiter.
Eigentlich brauche ich nur
abzuwarten, denkt Hyazinth und atmet erlöst auf. Da ich fest auf der Allee
stehe, das Tier sich aber bewegt, muß es mich zwangsläufig irgendwann in
nächster Zeit aus dem Gefängnis entlassen. Kaum hat er diesen Gedanken
vollendet, hört das Strömen und Fließen schlagartig auf. Der Zöloplan steht.
Nur die schlauchartigen Organe vibrieren unmerklich. Erst murmelt Hyazinth
einen Fluch, dann überlegt er. Sollten diese Tiere etwa über bisher unentdeckte
telepathischen Fähigkeiten verfügen? Aber dann müßten sie ja die menschliche
Sprache verstehen, also denken können – absurder Gedanke! Außerdem ist es wenig
wahrscheinlich, daß die Mollusken aus irgendeinem Grunde daran interessiert
sein könnten, den Fremdkörper länger als nötig
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