Copyworld: Roman (German Edition)
auf.
“Totalausfall! Wer übernimmt
Alpha vierzehn mit Sinusverlauf!?” brüllt der Mann plötzlich in das Stimmengewirr.
“Jetzt geht es los!” zischt
Sirrah. “Alpha vierzehn Sinus ist eine Nierenkolik, aber ihm ist totaler
Ausfall der Vitalemission eines anderen Wächters gemeldet worden – wir haben
mal wieder die Kapazität des Systems überschritten!”
“Platz dreiundsiebzig übernimmt!”
antwortet eine Stimme. Sirrah kommentiert: “Dreiundsiebzig hat einen leichten
Fall zurückgestellt, damit der Totalausfall gleich bearbeitet werden kann.
Hoffentlich ist es nur ein Spieler –”
“Was ist ein Spieler?”
“Frag nicht so dumm!” weist
Sirrah ihn zurecht, und sofort begreift Hyazinth. Er war also ein Spieler…
Auf der Tischfläche des Pultes
leuchtet ein bizarres Liniennetz auf. Zuerst erkennt Hyazinth nicht, was es
darstellt. Ein gelber Punkt flackert dicht am Rand. Ein Tastendruck des
Gesundheitswächters läßt hunderte roter Pünktchen aufflammen, einige davon in
unmittelbarer Nähe des gelben.
“Achtung Totalausfall!” spricht
der Mann über das Liniennetz gebeugt. “Acht – zwei, dreizehn – neun,
vierundsiebzig – eins, kann jemand die Kohinoor-Allee übernehmen?”
Eine blecherne Stimme antwortet
ihm: “Dreizehn – neun, wir sind gerade fertig. Gib die Koordinaten!”
“Kohinoor
dreitausendvierundzwanzig, Blase achthundertdrei – ihr kommt am besten von der
Nordseite ran!”
“Laß uns gehen”, sagt Sirrah
leise und zieht Hyazinth zum Ausgang. “Wir stören hier nur, auch wenn wir noch
so leise sind.”
Und als sie wieder im
grünleuchtenden Korridor stehen, fragt sie ihn: “Ahnst du nun, was du
angerichtet hast?”
Hyazinth nickt beklommen. “Wie
sollte ich das wissen?”
“Du hast recht, du konntest das
nicht wissen. Übrigens hatten wir kürzlich einige seltsame Traumechos auf
deinem Wächter, die wir uns nicht erklären können - hast du irgendetwas
ungewöhnliches bemerkt?” In ihrer Stimme ist ein merkwürdig lauernder Unterton,
und irgendeine instinktive Regung veranlaßt Hyazinth zu verneinen, obwohl er
sich sofort an die unheimlichen Halluzinationen erinnert.
“Na gut. Schade, ich war sicher,
die wäre irgendwas aufgefallen... Sag mal, woher weißt du überhaupt, daß es die
Wächter gibt und wie man sie abstellt?”
Ihre Stimme klingt nun drohend,
fremd, beinahe furchteinflößend. Hyazinth überlegt fieberhaft. Er kann doch
nicht Holunder verraten! Vielleicht hilft ein Ablenkungsmanöver.
“Was ist eigentlich mit den
Geräuschen?” fragt er, um einen unbefangenen Tonfall bemüht. “Die Geräusche
werden doch auch übertragen, nicht wahr? Ich habe aber nur Kurven und Zacken
gesehen.”
Sie blickt ihn durchdringend an.
“Die Geräusche bearbeitet eine andere Abteilung”, sagt sie zögernd und fährt
ärgerlich fort: “Solche Fragen solltest du besser nicht mehr stellen, wenn du
dir deine Zukunft nicht hoffnungslos verderben willst!”
Und nach einer langen,
unheilvollen Pause des Schweigens sagt sie traurig: “Zintchen, du bist auf
einem schlechten Weg. Beherzige immer die Generalgebote bei allem, was du
denkst und tust…”
Ein Wort des fremden Meisters
drängt in sein Bewußtsein: wo das vertrauen fehlt / spricht der verdacht. Wie
eine Binsenweisheit mag es manchem klingen, dem jungen Zögling der Märtyrerschule
scheint es plötzlich wie eine Warnung, die Dinge nicht nach der Beschaffenheit
ihrer Oberfläche zu beurteilen, sondern zum Vertrauen zurückzufinden. Aber sagt
dieser Laudse nicht auch, daß Verdacht notwendig ist, wenn man nicht mehr
blindlings vertrauen darf?
“Wenn Korund Stein Villafleur in
Weltenstein umbenennt, dann ist es so als nähme er mir meine Kindheit weg…”,
sagt Hyazinth düster, ohne auf Sirrahs erstaunten und zugleich besorgten Blick
zu achten. “Aber wie kann man ein Mensch sein, wenn man keine Kindheit hatte…”
Das Thier empfindet und schaut
an;
der Mensch denkt überdies und
weiß:
Beide wollen.
Arthur Schopenhauer
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Kapitel 9
Die
Tafelrunde
Das helle Klingeln des
Küchenglöckchens setzt Dammas unheimlichem Spiel ein jähes Ende. Ärgerlich
schiebt sie die runde Holzplatte des Ghamellans zur Seite und starrt auf die
aufschwingende Flügeltür des Thronsaals.
Derek ist es eine Erlösung,
dieses feine Klingeln. Zu schaurig war die Musik des Ghamellans, und kaum hat
er
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