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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Szameit
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Kristall in der Mitte: Zutritt nur für Befugte.
    “Du hättest Sicherheitsalarm der
Stufe A ausgelöst und wärst erst mal im Protektorrevier gelandet!” rügt sie
ihn. “Wenn hier jemand seine Hand auf den falschen Sensor legt, ist sofort
klar, daß er nicht hierher gehört. Ach Zintchen, du machst es Korund und mir
wirklich sehr schwer, wir können dich doch nicht vierundzwanzig Stunden am Tag
bewachen, nur, damit du keinen Unfug anrichtest…” Dann betätigt sie den
Öffnungsmechanismus, der in Windeseile das Muster ihrer Papillarlinien erkennt
und den Durchgang freigibt.
    Schon wieder spricht sie vom
ersten Exarchen , als bestünde da eine besondere Beziehung, denkt Hyazinth und
wird ein bißchen eifersüchtig. Aber dieser Gedanke wird sofort aus seinem
Bewußtsein gewischt, als die Tür zur Seite gleitet und ihm aus dem Spitzbogen
entsetzlicher Lärm aus hunderten von Stimmen und undefinierbaren Geräuschen
entgegenschlägt.
    Der Saal sieht auf den ersten
Blick aus wie eine große Schaltwarte des energetischen Versorgungsnetzes. Mit
seiner Kindschaft konnte er einmal eine solche Zentrale besichtigen, und seine
erste Frage war, warum die Männer und Frauen so aufgeregt durcheinander liefen.
Ihr Führer hatte erstaunt die Augenbrauen hochgezogen und den Jüngling
angeschaut als sei er ein seltenes Tier. Was daran so erstaunlich sein, hatte
er zurückgefragt, und Hyazinth antwortete sofort, daß doch alle Regel- und
Steuerungvorgänge von intellektronischen Komplexen ausgeübt würden, und selbst
im Falle einer Havarie die Maschinen viel schneller reagieren könnten als die
Menschen. Der Mann strich ihm übers Haar und sagte langsam: “Wenn genügend
Energie da wäre, mein Junge, würden wir hier in der Schaltwarte nur das Ticken
der Instrumente hören, und irgendwo säße ein Wachhabender im Sessel und würde
leise schnarchen. Aber wir müssen das Wenige gerecht verteilen, und das können
nur Menschen. Eine Maschine hat kein Gewissen…”
    Diese Szene fällt ihm sogleich
ein, aber doch ist es hier bei genauem Hinsehen anders. Konzentrische Ringe von
Instrumentenpulten, an denen hunderte von Leuten sitzen, lassen nur schmale
Gassen frei. Die einzelnen Arbeitsplätze ähneln sehr dem Anzeigekomplex eines
Diagnosesystems, allerlei Kurven schlängeln sich durch geheimnisvolle
Koordinatennetze, seltsame Figuren zittern, schwingen, beben, zucken über
Bildschirme als seien sie selbst lebende, atmende Lebewesen. Ab und an flammen
bekannte Darstellungen auf, das Schema des Blutkreislaufes etwa, oder das
Geflecht der Nervenbahnen. Auch schematisierte Darstellungen einzelner Organe
in den verschiedensten Schnitten sieht Hyazinth.
    Er ist zutiefst beeindruckt.
Jetzt erst begreift er, was das heißt: Gesundheitswache. Und gerade die überall
spürbare Hektik und Nervosität ist es, was ihm Ehrfurcht einflößt. Hier wird
nicht nur gearbeitet, denkt er, hier sind die Leute voll bei der Sache, haben
keine Sekunde Pause.
    “Aber wieso sind es nur gut
hundert Kontrollplätze?” fragt er verwirrt. “Ich dachte, jeder Märtyrer hätte
seinen Wächter.” Sirrah zieht ihn zum nächsten Kontrollpult.
    “Paß auf!” flüstert sie.
    Der Gesundheitswächter im grünen
Trikot hebt nur andeutungsweise die Hand zum Gruß, ohne den Blick von den
zahllosen Anzeigen zu wenden.
    “Er bearbeitet gerade einen
Infarktverdacht”, erklärt Sirrah kaum hörbar. “Schau auf die Abbildung oben
rechts. Ein Herzkranzgefäß, siehst du die Verengung? Dort hat sich ein Gerinnsel
gebildet, aber noch ist nichts geschehen. Der Mann muß sofort behandelt werden,
der Alarmtrupp ist bereits unterwegs, das erkennst du an der Ziffernfolge in
dem blauen Feld. Sie sind in vier Minuten bei ihm.”
    “Aber woher wissen Sie denn, wo
der Patient gerade ist?” fragt Hyazinth den Gesundheitswächter.
    “Pst!” zischt Sirrah und legt ihm
schnell die Hand auf den Mund. “Sprich ihn nicht an, er darf nicht eine
Zehntelsekunde abgelenkt werden!”
    “Aber –” flüstert Hyazinth.
Sirrah haucht zurück: “Warte, er hat gleich den nächsten Fall. Hier kann er
nichts mehr tun.” Kurz nachdem sie das gesagt hat, wechseln die Anzeigen auf
einen Schlag.
    “Das Hauptsystem gibt nur die
Alarmfälle auf die Wachpulte”, erläutert Sirrah leise, “aber du hast recht:
Trotzdem reicht die Kapazität nicht mehr aus. Wir müssen einen zweiten
Kontrollsaal einrichten.” Noch während sie spricht, flammt ein grellrotes Licht
über den Anzeigen

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