Copyworld: Roman (German Edition)
Flecken Erde – wenn Ihr es nur wollt. Und wer ist freier als ein
Gott?”
“Welch Unfug! Ich bin gefangen
wie kein zweiter Mann in meinem Reich! Gerade durch mein Amt, mein Schicksal –
es ist doch nicht mein freier Wille, was regiert. Recht und Gesetz - das sind
die Knochen meines Reiches Seemark. Mein Volk - das sind die kräftigen Muskeln.
Ich bin nur der Geist, gefangen in einem mächtigen Leib. Des Leibes Nöte
zwingen jeden Geist: Er muß neun Zehntel seiner Kraft darauf verwenden, des
Leibes Wohl zu sichern, damit das eine Zehntel, welches ihm verbleibt, ihn –
und wenn auch nur für einen Augenblick – aus des Leibes Schwere hebt in
göttliche Regionen. Was ist das für eine Freiheit?”
“Haßt Ihr Euren Leib ob seiner
Schwere, die Euren Geist am Fliegen hindert? ” Dammas Augen funkeln wie Rubine.
Sie hat sich zu ihm gebeugt als wolle sie ihm die Antwort von den Lippen
reißen.
“Wie könnt’ ich meine Hände
hassen, meine Füße”, sagt Derek nachdenklich. “Ich kann sie üben, stählen. Ich
kann sie überfordern und sie heilen, wenn sie überfordert waren. Doch kann ich
kein Glied des Leibes Seemark opfern wie die Echse ihren Schwanz, den wunden
Rest zu retten. Nicht einmal frei wie dies’ Reptil bin ich…”
“Habt Ihr denn wirklich nicht begriffen,
was Freiheit heißt? Ihr redet von der Not des Leibes – so gebt ihm andere
Knochen, und seine Not wird Euch nicht länger drücken!”
Ihre Worte dringen in Derek wie
eisiger Wind. Oh ja, wie oft hat er selbst mit diesem verlockenden Gedanken
gespielt: Einfach neue Gesetze zu erlassen, sich selbst zum Herrn über Recht
und Unrecht zu machen, die Regeln zu korrigieren, die Ealthea einst
formulierte. Weil das Spiel sich über die Jahrtausende unmerklich selbst
gewandelt hat und die alten Regeln nicht mehr genügen, es gerecht und sinnvoll
zu gestalten. Aber da gibt es ein Problem: Alle Ziele, die ihm sinnvoll
scheinen, fordern nicht nur neue Knochen, sondern auch einen neuen Geist. Derek
hat nächtelang mit Eirik gestritten, bis sie beide reglos vor Trunkenheit am
Boden lagen, und nie hat er Eiriks Gedanken widerlegen können: Nur der Schmied
soll die Fragen der Schmiedekunst entscheiden, nur der Bauer solche der
Landwirtschaft und der Fischer diese des Fischfangs, der Jäger jene des
Waidwerks…
Derek ist selbst ein guter
Schmied, ein tüchtiger Bauer und ein gewandter Jäger. Viel hat er im Umgang mit
den Menschen seines Volks gelernt, mit Freude übte er der Hände Pflicht in
allerlei Gewerben - Curdins finstrem Blick zum Trotz. Einmal zwang der Vater
ihn sogar, fünf Tage lang in Bauernlumpen nur zu gehen, damit der eigene
Gestank ihn zur Vernunft brächte. Es war vergeblich: Der junge Prinz hat diese
Zeit genutzt, dem kranken Deerg das Feld zu pflügen - und zeigte stolz die
Schwielen jedem Mann im Dorf und im Palast.
Nur mit dem Fischfang hat er sich nie
anfreunden können, und es beunruhigt ihn zutiefst, daß er Gunder vertrauen muß,
wenn der Hof Entscheidungen in dieser Hinsicht zu treffen hat. Gunder stammt
aus einer Fischerfamilie, und als er im letzten Frühjahr die Fischer zwang,
alle Zuchtteiche zu leeren und die Fische mit unglaublichem Aufwand in Becken
und Tonnen umzusetzen, da hörte Derek auf die Klagen der Fischer und widerrief
den Befehl. Wenige Tage später brandete eine Schmelzwasserflut von nie erlebter Gewalt zu Tale und riß alles mit
sich. Gunder war in dieser Zeit besonders höflich, mit keiner Silbe erwähnte
er, daß sein Befehl den Fischern das Eigentum und dem Palast die delikaten
Rauchfilets erhalten sollte. Derek beförderte ihn wortlos zum Obersten Hofalkalden.
“Oh doch, ich weiß es wohl:
Freiheit ist, den Weg des Bösen wählen, wenn man die Wahl hat zwischen Gut und
Schlecht. Nur dies Bekenntnis macht den Menschen frei von sich selbst, sprengt
Grenzen, Schwellen, Mauern, die sein Wesen zügeln. Gut sein hingegen heißt zu
dienen, mithin: Unfreiheit als Los begehren…”
Derek senkt den Kopf und starrt
dumpf vor sich hin.
“Welch gräßlich Los: An den
prächtigsten Palast der Welt gefesselt zu sein mit den Ketten uneingeschränkter
Macht – Ihr dauert mich, lieber Derek!” Damma funkelt ihn wütend an.
“Wollt Ihr wirklich sagen, Ihr neidet Rorik seine Freiheit, der ärgste Schuft
unter der Sonne zu sein?”
“Nein, Prinzessin Damma, Ihr
stellt die Frage falsch: Nicht die Freiheit Böses zu tun erstrebe ich – mir
mangelt es an der Freiheit für die Werke des Guten!”
“Wer
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