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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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in sicherem Abstand vom Ziel die Schallmauer durchbrechen. Sie würden ihr Ziel vor dem Überschallknall erreichen. Denn auf der dritten Stufe, wenn die vier kleinen Flügel ausklappten, würden sie auf Mach drei beschleunigen, eine Geschwindigkeit, die dreimal höher als die Schallgeschwindigkeit war, und ihr Ziel erfassen. Zu diesem Zeitpunkt würden sie sich je nach Wetterlage und Höhe der Wellenkämme drei bis fünf Meter über der Wasseroberfläche befinden.
    Seine Hände hörten einfach nicht auf zu zittern. Er murmelte die technischen Daten wie Beschwörungsformeln, als könnten nur sie ihm seine Ruhe zurückgeben. Obwohl es unwahrscheinlich war, dass die Patriot-Stellungen, ein Geschenk der USA, das Israel vor irakischen Marschflugkörpern schützen sollte, sich gegen einen Angriff der U-1 Jerusalem verteidigen konnten, war das israelische Luftabwehrsystem ihr erstes Ziel. Höchste Priorität an Bord war es, keinerlei Risiken einzugehen. Natürlich schoss man mit Kanonen auf Spatzen. Die Marschflugkörper der U-1 Jerusalem waren viel moderner als die Scud-Raketen der Iraker. Irgendein amerikanisches Unternehmen hatte sich wahrscheinlich dumm und dämlich verdient, indem es seine veralteten Waffen an Israel verkauft hatte, das die Rechnung seinerseits an die amerikanischen Steuerzahler weitergegeben hatte, die sich wiederum das Geld in China und Saudi-Arabien geliehen hatten.
    Sein Kopf wurde heiß, leise stammelte er zusammenhangslos vor sich hin. Er musste sich zusammenreißen, das Fieber in seinem Kopf unterdrücken und alle irrelevanten Überlegungen beiseiteschieben.
    Er schwitzte noch immer und hatte noch nicht mehr als seine Uniformhose angezogen.
    Nahezu die gesamte israelische Flotte konzentrierte sich auf einem kleinen Fleck. Haifa war ihr Heimathafen und ihr U-Boot-Stützpunkt. Man schrieb den zweiten Oktober, Jom Kip­pur, ein Feiertag, der in Israel so viel bedeutete wie der erste Weihnachtstag in England, Thanksgiving in den USA oder das Zuckerfest in der muslimischen Welt.
    Ungeordnet rasten ihm die Assoziationen durch den Kopf. Vielleicht hatten sie schlichtweg zu viel geübt. Seitdem sie in die Straße von Gibraltar hineingefahren waren, in sechshundert Meter Tiefe auf der kalten Gegenströmung vom Atlantik surfend, hatten sie nichts anderes getan, als im Geiste den Angriff zu proben. Bei den Übungsmanövern hatte man manch­mal innerhalb von zehn Minuten vollkommen neue und kompli­zierte Aufgaben lösen müssen. Vielleicht war das eine bessere Methode.
    Warum musste ausgerechnet er, und nicht Marwan oder Peter Feisal, im entscheidenden Augenblick am Drücker sitzen? Reiner Zufall. Ihr Dienstplan war seit der Abfahrt in Seweromorsk festgelegt. Von da an war es nur noch Mathematik, ein auf- und absteigender Fahrstuhl, den man nicht beeinflussen konnte.
    Versetzte ihn die Gewissheit in Angst und Schrecken, dass er eine nicht abzuschätzende Zahl von Menschen töten würde? Viele dürften es nicht sein. Man hatte bewusst einen Zeitpunkt gewählt, zu dem sich möglichst viele Marineschiffe auf einem Fleck befinden und die meisten Seeleute zu Hause mit ihren Familien feiern würden. Die Schiffe waren die Hauptsache, man wollte Israels Marine vernichten. Dennoch würden Dutzende von Matrosen und Offizieren ums Leben kommen, ebenso die Wachleute und im schlimmsten Fall palästinensisches Reinigungspersonal. Falsch! Palästinensische Putzfrauen durften israelische Militärstützpunkte nicht betreten. Haifa war nicht Devonport.
    Wie beschissen es sein musste, rauchend neben einem Patriot-Startgerät zu hocken und sich darüber zu beklagen, dass man die Arschkarte gezogen hatte und ausgerechnet am Feiertag seinen Dienst tun musste. Dann sah man den ersten Lichtschein am Horizont. Im ersten Moment glaubte man, es handle sich um zurückkehrende Jagdflugzeuge der eigenen Luftwaffe. Dann begriff man, dass sie sich für Jagdflugzeuge viel zu schnell näherten, sendete eine Anfrage an die Radarstation und erhielt nie eine Antwort, weil es bereits zu spät war.
    Nein, sein Gewissen plagte ihn nicht im Geringsten, das war nicht das Problem. Der Angriff würde nicht mehr Israelis das Leben kosten, als das unterdrückte palästinensische Volk im Monat an Toten zu verkraften hatte, ob es nun erschossene Schulkinder oder zerbombte Wohnhäuser waren, in denen ein angeblich verdächtiger Imam angeblich etwas Verdächtiges im Schilde geführt hatte. Sie dagegen machten Politik, hatte Mouna ihnen eingebläut. Keine

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