Coq 11
offenbar trieb irgendjemand im Hintergrund sie an. Nun war der Einspieler zu Ende. Im Fernsehstudio erschien eine Heerschar von uniformierten Experten, und der Moderator teilte mit, Verteidigungsminister Rumsfeld sei bedauerlicherweise verhindert.
Condoleezza Rice schaltete den Fernseher aus und versuchte, sich zu sammeln. Sie hatte nicht die geringste Lust, sich die Spekulationen und Litaneien unzähliger Terrorismusexperten und pensionierter Generäle anzuhören.
Das Interview hatte gehetzt und einstudiert auf sie gewirkt. Vermutlich lag das daran, dass man zum Senden auftauchen musste und dass ein zu langer Aufenthalt an der Oberfläche nicht ratsam war.
Ob einstudiert oder nicht, es wirkte authentisch. Ob das U-Boot tatsächlich aus Russland stammte, würde man innerhalb kürzester Zeit aus Putin herausquetschen. Wahrscheinlich stimmte es. Sie hatte die russischen Marschflugkörper beim ersten Angriff selbst gesehen.
Al-Dschasira hatte das Material zuerst gesendet. Da sie ihren eigenen Reportern vertrauen konnten, mussten auch sie sicher sein, dass der Einspieler echt war. Und CBS hätte ihn nicht gekauft und als Top-Meldung gesendet, wenn sie den Inhalt nicht für äußerst glaubwürdig halten würden.
Nur auf ein Detail konnte sie sich keinen Reim machen. Die Reporterin hatte nicht einmal überrascht geblinzelt, geschweige denn nachgefragt, als behauptet wurde, der höchste Offizier an Bord sei Amerikaner. Das war nicht nur mysteriös, sondern es war ein unerhörter Skandal.
Als Nächstes wurde ihr klar, dass die internationale Presse von nun an gespalten sein würde. Eine schöne und coole, um nicht zu sagen eisenharte Frau an der Spitze der größten Terroraktion in der Geschichte des Nahen Ostens würde unter westlichen Journalisten ein Beben hervorrufen, das man auf der Richterskala würde ablesen können.
Die Resolution des UN-Sicherheitsrates konnte man vergessen. Dieser weibliche palästinensische General war eine lebende Garantie für das Veto von Frankreich, Russland und China. Ganz zu schweigen von einem Haufen Neinstimmen anderer Staaten. Das brauchte man gar nicht zu versuchen. Am Ende würden die Vereinigten Staaten und Großbritannien allein mit dem Schwarzen Peter dasitzen.
Es würde ein anstrengender und langer Tag werden. Sie trank ihren Orangensaft in einem Zug aus.
Der nächste Auftritt der U-1 Jerusalem vor der Weltöffentlichkeit kam genauso überraschend wie der erste.
Am 5. Oktober erhielt der Kapitän des Luxuskreuzers Pallas Athena um acht Uhr abends einen höchst unerwarteten Anruf. Man steuerte Rhodos an und rechnete mit der Ankunft in zweieinhalb Stunden. An Bord befanden sich achthundert zahlende Passagiere und dreihundert Mann Besatzung.
Die Funker hielten die Nachricht zunächst für einen Scherz. Der Kapitän, der zufällig vorbeikam und das Gespräch teilweise mit anhörte, hatte jedoch das Gefühl, es könne etwas Wahres dran sein. Er riss das Mikrofon an sich und setzte die Kopfhörer auf.
Der Anrufer stellte sich höflich, aber bestimmt als Oberbefehlshaber der palästinensischen Flotte an Bord der U-1 Jerusalem vor und teilte mit, man sei nur eine halbe Seemeile von dem Kreuzfahrtschiff entfernt und fahre direkt darauf zu. Der Mann äußerte eine Bitte, die man ihm nur schwer abschlagen konnte. An Bord der U-1 Jerusalem befinde sich ein frisch operierter Überlebender von der versenkten Tekuma.
Es sei unverantwortlich, einen Kriegsgefangenen in diesem gesundheitlichen Zustand zu behalten, man habe aber in den nächsten Wochen nicht die Möglichkeit, an Land zu gehen. Daher müsse der Gefangene so schnell wie möglich nach Israel überführt werden. Man schlage vor, dass die Pallas Athena ein Rettungsboot aussetze und den Patienten in hundert bis zweihundert Meter Entfernung vom U-Boot abhole.
Kapitän Ioannidis gab der Weltpresse in den kommenden Tagen unzählige Interviews. Immer wieder musste er erklären, warum er das Ganze nicht für einen Bluff gehalten hatte. Hätte das U-Boot die Absicht gehabt, einem zivilen Kreuzfahrtschiff Schaden zuzufügen, hätte es dafür keine List anwenden müssen. Außerdem habe die Stimme des palästinensischen Flottenchefs sehr ehrlich und überzeugend geklungen.
Die Rettung des Ersten Torpedomaschinisten Uri Gazit war eine Sensation, die die Welt fast eine Woche in Atem hielt. Nicht zuletzt, weil der israelische Seemann in erstaunlich guter Verfassung war und den israelischen und ausländischen Journalisten von seinem
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