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und werde vom Empfänger zehntausend Dollar dafür erhalten. Er brauche nicht zu versuchen, die Aufnahmen an einen anderen Fernsehsender zu verkaufen, weil sie, die Urheberin, auf jedem zweiten Bild zu sehen sei. Der Seemann von der Pallas Athena war schlau genug gewesen, ihr zu glauben, hatte das Päckchen an die richtige Adresse verschickt und heimste seine zehntausend Dollar ein.
Auf dem Video war ein langes persönliches Interview mit Mouna al-Husseini, die im Nahen Osten bereits lange vor der U-1 Jerusalem eine Legende gewesen war.
Al-Dschasira unterlegte das Interview kurzerhand mit historischen Aufnahmen und schnitt es zu einer siebenundvierzigminütigen Sendung zusammen – ein gut verkäufliches Format –, die innerhalb von zwei Tagen an einhundertsiebenundvierzig Fernsehsender auf der ganzen Welt verkauft wurde. Der Gewinn betrug mehr als vierzig Millionen Dollar.
Der Titel der Dokumentation war äußerst schlagkräftig: Madame Terror.
Diese Überschrift wurde dem Inhalt zwar nicht gerecht, weil die Protagonistin sich im Grunde als wohlwollend und sympathisch erwies, aber sie verkaufte sich gut.
Ob der Titel nun gerechtfertigt war oder nicht, Mouna al-Husseini würde für den Rest ihres Lebens Madame Terror bleiben. Der Name erinnerte manche an Che Guevara, während er in den Ohren anderer wie Frau bin Laden klang. Wer für den einen ein Freiheitskämpfer war, galt dem anderen eben als Terrorist.
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Die U-1 Jerusalem war zuerst an Syrien vorbei nach Norden und dann entlang der türkischen Küste direkt nach Westen gefahren. Nachdem man Zypern passiert hatte und kurz vor Rhodos angelangt war, hatte man ein geeignetes Kreuzfahrtschiff gefunden, dem man den israelischen Intensivpatienten hatte überlassen können. Man hatte sich bewusst so weit in türkische Hoheitsgewässer vorgewagt, um unter den Jagd-U-Booten der NATO Verwirrung zu stiften, falls man entdeckt wurde.
Die Türkei besaß vierzehn U-Boote mit Dieselantrieb, die meisten davon hatten deutsche Motoren. Ein ähnliches U-Boot in türkischen Gewässern würde für erhebliche Verwirrung sorgen, bevor die Türken den Zusammenhang begriffen. Und hätte die Türkei den USA auch noch so gern zur Seite gestanden, hätte man es doch mit der rasenden Wut in der eigenen Bevölkerung zu tun bekommen, weil es sich um ein palästinensisches U-Boot handelte.
Doch diese politischen Überlegungen hatten sich als überflüssig erwiesen, weil niemand das U-Boot nördlich von Israel gesucht hatte. Die Luftkontrollen der NATO hatten sich auf ein fächerförmiges Gebiet vor Haifa konzentriert und damit einen großen Teil des östlichen Mittelmeers abgedeckt, während die sechste Flotte der USA die Passage zwischen Sizilien und Tunesien abgeriegelt hatte. Auf diese Weise glaubte man noch immer, das U-Boot im östlichen Mittelmeer eingekesselt zu haben.
Nun schickte man drei amerikanische und britische U-Boote auf die Jagd. Einerseits war es die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Andererseits konnten die Terroristen nicht aus der Falle entkommen. Es war also nur eine Frage der Zeit, wann man sie schnappen würde.
So weit die Taktik. Leider gab es politische Komplikationen, weil die Terroristen Geiseln genommen hatten. Die Frage, ob man das Terroristen-U-Boot trotz der israelischen Geiseln an Bord versenken durfte, hatten nicht die Marineoffiziere auf den amerikanischen und britischen Jagd-U-Booten zu entscheiden. Diese Entscheidung mussten die Politiker fällen.
Die U-1 Jerusalem, die angeblich in der Falle saß, befand sich nun in fünfhundert Meter Tiefe südlich von Kreta auf westlichem Kurs. Man fuhr langsam und hatte sich auf den sogenannten inneren Urlaub eingestellt. Keiner ihrer Feinde konnte so tief tauchen, und die Torpedos der NATO funktionierten unter vierhundertfünfzig Metern nicht.
Die Messe war wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt worden. Einer der israelischen Kriegsgefangenen musste immer noch intensivmedizinisch behandelt werden, und die Wunden und Brüche, die sich die anderen bei den Torpedotreffern zugezogen hatten, waren sorgfältig verbunden und eingegipst.
Nachdem Bootsmann Leila und Bootsmann Khadija ordentlich ausgeschlafen hatten und sich wieder ihren hoch geschätzten Kochkünsten widmen konnten, richtete man eine kleine Feier aus. Die gesamte Besatzung war in Ausgehuniform dazu eingeladen, und die Korrespondentinnen hatten rechtzeitig die Kamera aufgestellt. Es war die gleiche Zeremonie wie beim letzten
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