Coq 11
ausgerichtet hatte. In der Messe saßen ein paar Russen, die sich eine Wiederholung der CNN-Nachrichten ansahen, wie üblich die Schachspieler und die Sprachlehrerinnen mit ihren Schülern. Inzwischen wurde mit zwei oder drei Schülern gleichzeitig Konversation geübt. Da die technischen Begriffe nun bei jedem an Bord bombenfest saßen, konnte man zur Alltagssprache übergehen. Die Offiziere, die perfekt Russisch beziehungsweise Englisch sprachen, sollten sich zukünftig an den Konversationsstunden beteiligen. Wahrscheinlich tüftelte Carl gerade einen Plan aus.
Rashida Asafina ließ sich ungeschminkt und verschlafen neben Mouna nieder und plauderte munter drauflos. Jeden Morgen brauche sie etwas Zeit, um sich daran zu erinnern, dass sie sich auf einem U-Boot befinde. Doch was tue man nicht alles für die Kunst.
Sie studierten kurz das Interview ein, das in vier Stunden stattfinden sollte, bereiteten aber diesmal zwei Versionen vor. Wie immer eine auf Englisch, aber diesmal auch eine arabische. Die Redaktion in Katar oder vielmehr die Zuschauer in der arabischen Welt hatten sich darüber beschwert, dass man Mouna nie in ihrer eigenen Sprache reden höre. Man musste also zwei Interviews in der kurzen Zeit unterbringen. Die Strategen an Bord hatten genau berechnet, wie lange es von ihrer eventuellen Entdeckung bis zu einem Raketenangriff dauern würde.
Wisse Mouna eigentlich, ob die Amerikaner immer noch die Absicht hätten, die U-1 Jerusalem bei der erstbesten Gelegenheit zu versenken, fragte Rashida Asafina.
Nein, antwortete Mouna achselzuckend. Sie wisse auch nur das, was CNN und Fox freundlicherweise veröffentlichten. Im Moment halte die sechste Flotte das östliche Mittelmeer anscheinend im eisernen Griff, während die unbesiegbaren amerikanischen Atom-U-Boote USS Annapolis und USS Louisville mit Unterstützung der vermutlich ebenso unbesiegbaren HMS Triumph der Royal Navy die Meerestiefe auf eine ausgeklügelte Weise durchkämmten. Angeblich würde ihnen nicht einmal eine Flunder entschlüpfen. Sofern man den enthusiastischen Militärexperten von CNN glauben dürfe.
Mouna sah die Sache gelassen, da die Amerikaner aus der sicheren Entfernung von zehntausend Kilometern an der falschen Stelle suchten. Was wussten die schon? Vielleicht wollten sie die U-1 Jerusalem gar nicht vernichten, weil sie dann auch acht Israelis töten müssten. Israel hatte lakonisch verlautbaren lassen, mit Terroristen verhandle man prinzipiell nicht, weil der Preis zu hoch sei.
Das Gewäsch der Militärexperten von CNN und US Navy, man wende eine äußerst pfiffige Technik an, mit der man das U-Boot »vorsichtig« angreifen könne, war lächerlich.
Sie ärgere sich über den immer wiederkehrenden Begriff »Geiseln«, sagte Mouna. Ob man diesen Punkt nicht im Interview aufgreifen solle.
Rashida Asafina war von dem Vorschlag nicht begeistert. Als Kriegsreporterin direkt vor Ort hatte sie genug Schwierigkeiten damit, ihre Glaubwürdigkeit zu wahren. Es dürfe nicht so aussehen, als sei sie eine Art Pressesprecherin der U-1 Jerusalem. Bislang sei die Gratwanderung zum Glück gelungen, alle Fragen seien erlaubt gewesen. Das Problem sei zudem, dass so wenig Zeit zur Verfügung stehe, bevor man wieder abtauchen müsse. Da man gezwungen sei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, wären Fragen nach der Problematik des Terrorismus von größerem journalistischem Interesse als die nach dem polemischen Begriff »Geisel«.
Mouna nickte stumm, trank den letzten Schluck ihres türkischen Mokkas und ging in die Kommandozentrale. Anatolij war zwar nach einer langen Schicht unrasiert und etwas müde, aber in glänzender Stimmung. In Kürze würde Larionow das Kommando übernehmen.
Mouna munterte Anatolij noch mehr auf, indem sie ihm erzählte, ein Experte auf CNN habe im Brustton der Überzeugung behauptet, den beiden amerikanischen und dem britischen U-Boot könne im angeblich abgeriegelten östlichen Mittelmeer keine Flunder entwischen.
»Diese Komiker sind unnachahmlich«, lachte er. »Eine Flunder? Die meinen wohl eine kambala. Ist die westliche Öffentlichkeit so leicht hinters Licht zu führen? Glauben die Leute so etwas wirklich? Na ja, umso witziger wird es, wenn wir ihnen demnächst die Hosen runterziehen!«
Während Anatolij Mouna die Lage schilderte, kicherte er immer noch über die Flunder. Die Passage der Straße von Messina war reibungslos und viel angenehmer als die Übungsfahrt zwischen England und Irland verlaufen. Dabei
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