Coq 11
hatte in der Meerenge zwischen Kalabrien und Sizilien dichter Verkehr geherrscht, unzählige Fähren und Güterschiffe fuhren donnernd hin und her. Wer ein so empfindliches Gehör hatte, dass er eine Flunder wahrnehmen konnte, wäre mit Sicherheit nach kürzester Zeit taub geworden.
Während sie die Meerenge passiert hatten, war eine elektronische Seekarte des Bodenprofils angelegt worden. Auf dem Rückweg konnte man folglich auf die Krabbenaugen verzichten. Im Norden hatte man vier NATO-Korvetten gesichtet, die friedlich wie die Entenküken vor sich hin schlummerten. Zwar habe man elektrische Spannungen gemessen, die wahrscheinlich von den auf den Korvetten installierten neuesten Methoden zum Erfassen magnetischer Signaturen erzeugt wurden, aber moderne Technik hin oder her: Bei den Tausenden Tonnen Eisenschrott, die in dem Gebiet unterwegs waren, nützte sie ihnen wenig. Außerdem konnte man Titanrümpfe mit dieser Methode sowieso nicht aufspüren.
Die Lage war also ruhig. Man befand sich noch zwanzig Seemeilen von Capri entfernt in einem tiefen Graben, der fast bis zur Insel reichte. Wenn man die Show da oben hinter sich gebracht hatte, konnte man wieder in die Tiefe rutschen. Problematisch konnte es nur werden, wenn in diesem Moment zufällig ein NATO-Schiff in den Hafen von Neapel ein- oder wieder herausfuhr. Doch dann müsse man einfach ein bisschen abwarten. Larionow werde das Kind schon schaukeln, sagte Anatolij, denn er haue sich jetzt aufs Ohr.
Seine gemütliche gute Laune steckte alle anderen in der Kommandozentrale an, sogar Larionow, der ansonsten selten lachte oder überhaupt den Mund aufbekam.
Die Ungezwungenheit war jedoch trügerisch, denn das, was sie vorhatten, war extrem gefährlich. Man musste kein U-Boot-Fachmann sein, um das zu begreifen. Aber wenn es klappte, würden sie einen strahlenden politischen Sieg erringen und hätten weltweit die Lacher auf ihrer Seite. Letzteres könne sich allerdings als zweischneidiges Schwert erweisen, meinte Carl, der sich mit der amerikanischen Mentalität am besten auskannte. Hohn und Spott würden vor allem Donald Rumsfeld treffen, dem ohnehin die Felle davonschwammen. Nach dem misslungenen halben Krieg gegen den Iran wurden die Rücktrittsforderungen wieder mit neuer Kraft vorgetragen. Falls Rumsfeld tatsächlich gezwungen würde, sein Amt niederzulegen, wäre alles in bester Ordnung. Dann könnte sein Nachfolger die Forderung zurückziehen, die U-1 Jerusalem zu versenken. Doch wenn Rummy sich an seinen Stuhl klammerte, blieb die U-1 Jerusalem die Nummer eins auf der Abschussliste. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
Während Larionow das Aufstiegsmanöver vorbereitete, las sich Mouna in ihrer Kabine das Interview noch einmal durch. Vor allem die Anzahl der Buchstaben in ihrer ersten Antwort war wichtig. Wenn man wusste, wonach man zu suchen hatte, war dieser Code kinderleicht zu knacken, aber die Amerikaner glaubten hoffentlich immer noch, dass die U-1 Jerusalem den Kontakt mit der Außenwelt über Funk aufrechterhielt.
Hastig legte sie Make-up auf und bürstete sich die Haare, während sie die Buchstabenkombination im Geiste wiederholte. Wenn die Sache funktionierte, hatte sie sich das eine oder andere Glas Wein zum Essen verdient.
Nachdem Larionow bis auf Periskoptiefe aufgestiegen war, hielt er nach Touristenbooten Ausschau, an denen es rings um Capri nie mangelte. Als er ein geeignetes Objekt gefunden hatte, erhöhte er die Bereitschaftsstufe an Bord. Drei Minuten später tauchte das momentan berühmteste U-Boot der Welt nur fünfzig Meter neben dem Passagierschiff auf. Die Touristen auf dem überfüllten Deck winkten und jubelten. Das Bild von dem U-Boot-Turm mit der großen palästinensischen Flagge dominierte seit fast zwei Wochen alle Nachrichtensendungen.
Das Team von Al-Dschasira und ihre Helfer aus der Besatzung winkten fröhlich zurück und warfen den Touristen Kusshändchen zu, während die Sendeausrüstung installiert wurde und Rashida ihrer inzwischen ständig bereiten Heimatredaktion telefonisch mitteilte, man gehe in wenigen Minuten auf Sendung.
Dann betrat Mouna unter stürmischem Beifall das Deck und ließ sich vor der palästinensischen Flagge von Hunderten von privaten Kameras fotografieren.
»Die U-1 Jerusalem ist soeben vor der weltberühmten Ferieninsel Capri aufgetaucht«, trompetete Rashida Asafina mit ihrer Reporterstimme. »Wie Sie sehen, sind die Touristen hier begeistert und vermutlich sehr
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