Coq 11
Kalifornien war es immer noch februarkühl – und Kerzen auf den Tisch gestellt. Außerdem hatte er einige Flaschen Comte de M. besorgt, den besten Wein vom Château Ksara. Es war ihr ein Rätsel, wie er an diesen exzellenten libanesischen Wein herangekommen war.
Mit heiterer Feierlichkeit führte er sie zu Tisch, servierte warmes Pitabrot und stieß mit ihr an. Beide nahmen sich von den vielfältigen Vorspeisen.
»Als Erstes musst du den Russen ihre Uniformen abnehmen«, kam er direkt zur Sache. »Die praktischen Anweisungen habe ich dir aufgeschrieben, das können wir überspringen. Die russischen U-Boot-Matrosen dürfen nur zwei Dinge behalten, auf die sie vermutlich nicht verzichten können. Eins davon ist das fünf Zentimeter lange silberfarbene U-Boot-Emblem mit dem roten Stern in der Mitte, wobei sich letzteres Detail wahrscheinlich verändert hat. Für dieses Abzeichen haben sie Blut und Tränen geschwitzt. Die andere Sache ist nicht ganz so nachvollziehbar, aber genauso wichtig. Russische Eliteverbände tragen ein blau-weiß gestreiftes Unterhemd, das Telnjaschka genannt wird. Kleide sie also in fremde Uniformen ein, aber lass sie das Unterhemd und das Abzeichen behalten. Diese Dinge sind viel wichtiger, als man meinen könnte. Kein Witz.«
»Ich glaube dir, Carl, sei unbesorgt. Und was dürfen die Offiziere behalten, außer ihren Hemden, die man unter den Uniformen sowieso nicht sieht?«
»Die Kärtchen mit den Farbsymbolen, auf denen ihre Verdienstzeichen erklärt sind, eventuelle Medaillen und natürlich das U-Boot-Abzeichen.«
Er lachte und sie erhob bei seinen letzten Worten lächelnd das Glas. Er schien glänzender Laune zu sein. Sie nahm an, dass er mit dem originellsten Vorschlag begonnen und noch jede Menge in petto hatte.
Ohne Eile brachte er seine Ideen zur Sprache, die allesamt leicht durchführbar und zudem bezahlbar wirkten. Er zog einen kleinen iPod aus der Tasche und erklärte ihr, wie man die U-Boot-Bibliothek mit einer nahezu vollständigen Hörbuchsammlung der russischen Klassiker ausstatten konnte, er hatte alle Aufnahmen sowie einige Sprachkurse zu Hause. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich zu erkundigen, wie es mittlerweile um seine Russischkenntnisse bestellt war, und er antwortete lachend, für den Job des russischen Präsidenten würden sie ausreichen, auch wenn seine Ausdrucksweise vielleicht etwas altmodisch wirke.
Er aß ein bisschen, reichte ihr die Platten mit den verschiedenen Gerichten und schenkte ihr Glas voll.
Aus mehreren Gründen wären weibliche Sprachlehrerinnen an Bord eine ausgezeichnete Idee. Mouna dürfe nicht die einzige Frau an Bord sein, weil es erstens ihre Autorität untergrabe und weil zweitens alle U-Boot-Seeleute auf seltsame Weise abergläubisch seien. Dieser Aberglaube sei aber nicht mit einem ernsthaften Glauben an Feen und Trolle zu vergleichen, sondern habe mehr mit Traditionen und Machohaltung zu tun. Sogar in seiner schwedischen Heimat hätten die Männer mit den Zähnen geknirscht, als die ersten Frauen an Bord gekommen seien.
Auf der K 601 brauche man jedoch so viele Frauen wie möglich. Das habe weder mit Feminismus noch mit Gleichstellung oder einem sonstigen politischen Aspekt zu tun. Es gehe um Psychologie. Man müsse eine vollkommen neue Ordnung demonstrieren, die für die Russen so neu und ungewohnt wäre, dass sich kein Russe einem Nichtrussen überlegen fühle. Mit den Lehrkräften an Bord könne man beginnen. Außerdem müsse eine Schiffschirurgin her; da die Chirurgie in Russland traditionell eine weibliche Domäne sei, würde man problemlos eine qualifizierte Person finden. Wo immer es möglich sei, solle sie versuchen, die Stelle mit einer Frau zu besetzen. Nein, nicht jede Stelle. Das Reinigungspersonal müsse unbedingt männlich sein. Weibliches Küchenpersonal dagegen wäre in Ordnung, da die Köche an Bord eines U-Boots hoch angesehen seien.
Man müsse also für Veränderungen sorgen, die aus allen Besatzungsmitgliedern Ausländer machten. Der Wodka dürfe übrigens nicht ganz verboten werden, man müsse ihn allerdings kontrollierter ausschenken als auf der unglückseligen Heimfahrt durch die Barentssee.
Nun käme ein noch wichtigerer Punkt der »Entrussifizierung«: Das U-Boot brauche einen eigenen Pressedienst. Sie solle einem Korrespondenten von Al-Dschasira, am besten, nein, unbedingt einer Frau, den dicksten Knüller ihres Lebens anbieten und sie als embedded journalist auf das U-Boot einladen, wie die
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