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Coq 11

Coq 11

Titel: Coq 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillou
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nicht die einzigen Revolutionäre der Weltge­schichte, die auf Abwege gerieten. Die Ironie bestand darin, dass die tiefere Ursache ihrer Abkehr von der Politik im Nachrichtendienst der PLO, um nicht zu sagen in Mouna höchstpersönlich, begründet lag.
    Dies war die gemeinsame Vorgeschichte der drei Frauen. Vor ungefähr einem Monat hatten sie nun, als die Temperaturen erträglich geworden waren, auf Leilas Dachterrasse im westlichen Beirut gesessen und in den Sonnenuntergang geblinzelt. Anfangs schwelgten sie in Erinnerungen an ihre alte Freundschaft und das Zaiton. Sie hatten einen Ksara Rosé getrunken, und wenn man bedachte, warum Mouna die beiden überhaupt aufgesucht hatte, erschien die Situation geradezu grotesk.
    Leila und Khadija – beide waren überschminkt, und an ihren Armen rasselte und klapperte das Basargold – strahlten die Zufriedenheit der erfolgreichen Mittelklasse aus, die sich weit von der Kindheit im Flüchtlingslager entfernt hatte.
    Wie so viele litten die Frauen unter albtraumhaften Gewissensqualen und beteuerten ständig, besonders unter Alkoholein­fluss, dass sie im Herzen noch immer hinter dem palästinensi­schen Freiheitskampf standen. So menschlich diese Neigung war, hatte sie doch etwas Tragisches an sich.
    Hätte sie die beiden um hunderttausend libanesische Pfund für den Freiheitskampf gebeten, sie hätten abgelehnt.
    Mouna ging gleich aufs Ganze und warf alle Sicherheitsvorkehrungen über Bord. Wahrscheinlich nahm sie das Risiko in Kauf, weil es sie traurig gemacht hätte, dieses angenehm vor sich hinplätschernde Gespräch über die alten Zeiten bei einem weiteren Glas Wein fortzusetzen, der so teuer war, dass eine ganze palästinensische Flüchtlingsfamilie sich davon eine Ta­gesration ägyptischen Reis hätte kaufen können.
    Es war zu viel für Mouna, die eine große Traurigkeit fühlte.
    »Ich bin aus einem ganz bestimmten Grund gekommen«, sagte sie unvermittelt, als sie gerade über die neuen Beiruter Luxushotels für Saudis plauderten. »Haltet den Mund. Ich brauche zwei Köchinnen, die ein Jahr lang für eine Operation arbeiten, die die Zionisten härter treffen wird als je zuvor. Die Küche muss funktionieren. Ich will euch beide haben.«
    Natürlich war es auf der Terrasse mucksmäuschenstill geworden. In dem Moment, als vielleicht eine der Frauen gefragt hätte, ob Mouna sich einen schlechten Scherz erlaubt habe, senkte sich über ihnen mit Ohren betäubendem Donnern eine Boeing 747 im Landeanflug auf den Flughafen von Beirut. Vielleicht war es besser so.
    »Ist das dein Ernst?«, fragte Khadija.
    »Das ist mein vollkommener Ernst. Aber es ist lebensgefährlich«, antwortete Mouna trocken.
    »Wir kommen«, sagte Leila.
    Mehr Worte brauchten nicht verloren zu werden. Es schien, als hätten die beiden seit Langem auf diese Frage gewartet.
    Im Nachhinein war alles logisch. Aber so kam es einem ja oft vor, wenn man den Lauf der Ereignisse kannte.
    Alexander Owjetschin hatte zwei russische Köchinnen engagiert, Irina Woronskaja und Luba Politowskaja. Sie waren für die russischen Speisen zuständig, die sogenannte Schweineküche. Ursprünglich wollte man drei Viertel der Vorräte für die russische Küche und ein Viertel für die Halalküche verwenden, die diese Bezeichnung streng genommen gar nicht verdiente. Es zeigte sich jedoch rasch, dass der tatsächliche Verbrauch gar nicht mit diesen Berechnungen übereinstimmte. Eigentlich soll­ten Khadija und Leila den russischen Köchinnen beim Zube­reiten der Schweinekost zur Hand gehen. Das wäre zwar kein Problem gewesen, da keine der beiden an sündige Schweinekoteletts, Gott oder Satan glaubte. Sie kamen schließlich von der PFLP, wie sie immer öfter betonten.
    Aber es kam genau umgekehrt. Die »internationale Besatzung«, wie sie an Bord offiziell genannt wurde, zog mehrheit­lich die französisch-orientalische Küche vor. Besonderen Anklang fand der Holzkohlengrill, den man trotz der Bedenken des Brandschutzbeauftragten, Offizier Charlamow, angeschafft hatte.
    Gemäß Carls unergründlicher Ordnung hatten alle vier Köchinnen den Dienstgrad eines Bootsmanns erhalten.

5
    Am sechsten Tag ertönte während des Mittagessens das Alarmsignal »Klar Schiff!«, und gleichzeitig wurde über die Lautspre­cher auf Russisch und in gebrochenem Englisch erklärt: Dies ist keine Übung! Dies ist keine Übung!
    Die darauf folgende Hektik an Bord hätte man leicht mit Panik verwechseln können. Alle Kampfleitungsstationen mussten

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