Coq Rouge
er sich wieder mit den Hedlund-Akten hin.
Denn Hedlund war ein unsympathischer Typ, wenn man sich allein an das politische Bild hielt.
Das firmeneigene Material war jedoch mager. Ein paar Reisen, einige wenige »Führungspositionen« und derlei, aber nichts, was einen bestimmten Verdacht begründet hätte.
Das war ein deprimierendes Ergebnis. Carl hatte schon beim ersten Blick auf Hedlunds Bücherregal die Jagdlust in sich aufsteigen spüren. Hedlund war die einzige Hoffnung; alle anderen Spuren schienen im Sand zu verlaufen.
Und dann auch Ponti, das angedeutete Ziel von Näslunds nächster Attacke.
Der Mann, den Carl übernehmen und nach der versteckten Andeutung sogar erschießen sollte.
Damit kam die Ermittlung zu einem absoluten Stillstand. Carl begriff eines selbst nicht ganz, er hatte Fristedt und Appeltoft nichts davon berichtet, was Näslund offenbar vorschwebte. Es war keine Frage mangelnden Vertrauens, sondern lag vielleicht daran, daß der Gedanke zu unwahrscheinlich wirkte.
Carl fühlte, daß er nicht weiterkam. Er griff mit einer schnellen und entschlossenen Bewegung nach dem Telefon, überlegte es sich aber und blickte auf die Uhr. Es war erst halb zehn.
Er hatte sich entschieden.
Er kleidete sich rasch an, rasierte sich und ging hinaus. Die Gasse in Gamla Stan war anscheinend völlig verlassen, aber er sah sich nicht um, sondern ging auf dem kürzesten Weg zum Cafe Opera.
Vor dem Eingang hatte sich noch keine Schlange gebildet, was ihn freute; so brauchte er sich nicht mit seinem Ausweis an der Schlange vorbeizumogeln. Der schlimmste Ansturm des Stockholmer Nachtlebens hatte noch nicht eingesetzt. Carl setzte sich an den langen Bartresen und bestellte sich ein Bier, während er sich so drehte, daß er den Eingang im Auge behalten konnte. Es gab nur einen Eingang, und er würde niemanden übersehen. Es tauchte jedoch kein denkbarer Verfolger auf. Nach einer Viertelstunde ging er in den Vorraum hinaus, steckte ein Fünf-Kronen-Stück in das kleine rote Telefon und wählte eine der fünf oder sechs Telefonnummern, die er auswendig kannte.
Der Mann, den er sprechen wollte, war nicht zu Hause. Glücklicherweise konnte dessen Frau ihm aber mitteilen, daß er in seiner Stockholmer Wohnung sei.
Langsam und ohne sich umzusehen ging Carl zum U-Bahn-Eingang des Hauptbahnhofs und verschwand in der Menge. Er glaubte zwar nicht, daß ihm jemand folgte, doch zur Zeit befand er sich in einer Lage, die etwas professionelle Vorsicht erforderte. Er nahm den erstbesten Zug, der in den Bahnhof einlief, und fuhr dann etwa eine halbe Stunde lang nach einem besonderen System durch die Stadt. Es hätte einen sehr großen Personaleinsatz erfordert, ihn zu verfolgen, obwohl er sich kein einziges Mal umsah.
Endstation war Karlaplan.
Es regnete, und die Straßen Östermalms waren fast menschenleer. Er ging Karlavägen hinunter und bog vor Grevgatan ab, nahm dann wieder eine Querstraße und dann Grevgatan fast bis zu Strandvägen hinunter, bis er da war. Er stellte fest, daß in der Wohnung, die einmal die Operationsabteilung des geheimen schwedischen Nachrichtendienstes beherbergt hatte, Licht brannte. Jetzt gehörte das Haus dem Alten, der sich darin eine Stadtwohnung eingerichtet hatte. Er war zu Hause, und die Straße war in beiden Richtungen völlig menschenleer.
Carl tippte das Erkennungssignal in die Gegensprechanlage, dreimal kurz und dreimal lang. Niemand antwortete, aber das Türschloß ging auf.
Trotz allem Gerede von seiner Krankheit in den letzten Jahren sah der Alte gesund aus. Er wirkte sogar jünger als bei der ersten Begegnung unten in Kivik. Carl wurde herzlich empfangen und schnell zu einem Glas Apfelwein des Hauses eingeladen. Der Alte war stolz auf seinen Apfelwein, »das wußten alle«, das heißt nicht alle in der Firma, sondern alle im Unternehmen, was etwas völlig anderes war.
Der Alte erkundigte sich begeistert nach Einzelheiten aus San Diego und der dortigen Ausbildung, da im Augenblick schon zwei weitere Schweden unterwegs waren. Und dann berichtete er von mancherlei Mühen bei der Kommunikation zwischen der Leitung der Streitkräfte und der Regierung; die endgültige Entscheidung über den neuen Typus von Operateuren hänge noch immer in der Luft, und außerdem fänden im nächsten Jahr Wahlen statt, und je nachdem, ob diese oder jene Regierung ans Ruder komme, könnten die Ergebnisse für das Unternehmen völlig unterschiedlich ausfallen. Das sei den Politikern im Moment aber
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