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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Vorteil aufwiesen, in zwei DINA4- Ordnern chronologisch geordnet zu sein, zugleich aber den für Appeltoft entscheidenden Nachteil, daß sie zu einem großen Teil auf deutsch abgefaßt waren.
    Zunächst hatte er es etwa eine Stunde mit einem Wörterbuch versucht, jedoch ohne Erfolg. Mochte er am Ende auch begriffen haben, was die Worte sprachlich bedeuteten, verstand er doch nicht die Argumentation. Am Ende hatte er drastisch die Methode geändert. Und nach einigen Stunden war es ihm gelungen, sämtliche in der Korrespondenz vorkommenden Personennamen zu notieren und bei jedem festzuhalten, in welchem Brief er vorkam. Hamilton mußte die Namen durch den Computer jagen, und anschließend würden sie vielleicht zu den Deutschen gehen müssen, zum Verfassungsschutz, der sicher sagen konnte, ob einer oder mehrere der vielen deutschen Namen von Interesse war. Außerdem konnte dieser Hamilton vermutlich Deutsch.
    Aber wie Sisyphus, der den Stein soeben den Berg hinaufgerollt hatte, entdeckte auch Appeltoft, daß er auch jetzt noch nicht begriff, worum es ging, als er zu dem Haufen mit beschlagnahmten schwedischen Konferenzprotokollen übergehen wollte.
    Was sollte es bedeuten, daß rein objektive Voraussetzungen für bewaffnete Aktionen vorlägen, daß es aber weitgehend an subjektiven Voraussetzungen fehle, was zum Teil mit der diplomatischen Strategie der PLO und zum Teil mit bislang ungelösten Gegensätzen unter den kleinbürgerlichen Elementen in der Bewegung sowie den Fürsprechern einer revolutionären/proletarischen Linie zusammenhänge?
    Würde seine eigene Tochter dieses Kauderwelsch kapieren?
    Carl hatte versucht, sämtliche Beobachtungen und Behauptungen über den Journalisten Erik Ponti, die die Firma in bald zwei Jahrzehnten angesammelt hatte, gründlich durchzuarbeiten. Manche Abschnitte, die entweder vorhersehbar waren oder auch nur allgemeines Gewäsch enthielten, hatte er schnell überflogen. Aus dem ganzen Material ergab sich etwa folgendes Bild.
    Vieles war in sich schlüssig und richtig. Erik Ponti hatte demselben Flügel der schwedischen Linken angehört wie er selbst, wenn auch eine halbe Generation früher. Das meiste war deshalb bekannt. Die pingelige Aufzählung der Reisen hierhin und dorthin beruhte vermutlich auf tatsächlichen Begegnungen. Ponti war mit Arafat, Ghaddafi, Georges Habash, Nasser, Kamal Dschumblatt und so gut wie jedem Mann von einiger Bedeutung im arabischen Teil des Nahen Ostens zusammengetroffen. Die selbstverständliche Tatsache jedoch, daß eine große Zahl dieser Begegnungen mit Sicherheit zu gewöhnlichen Zeitungsartikeln oder Rundfunkinterviews geführt hatten, war in dem Material mit irritierender Konsequenz ausgelassen worden.
    Eine Akte enthielt eine Kopie mit Berichten über Ponti, die an ausländische »Firmen« der Branche gegangen waren. Im Detail waren diese fast immer völlig korrekt, in den Schlußfolgerungen jedoch total irreführend. Der westdeutsche Verfassungsschutz erfuhr beispielsweise bei einer Gelegenheit, daß Ponti erstens der schwedische Links-Aktivist sei, der mehrere nachweisbare Terroristenkontakte im Nahen Osten besitze, zweitens auch von zwei später verurteilten westdeutschen Terroristen aufgesucht worden sei und daß er sich seit ein paar Monaten »aus unbekanntem Anlaß« in Libyen aufhalte.
    Falls Ponti irgendwann zu Beginn der siebziger Jahre in eine westdeutsche Straßensperre geraten und unverschämt geworden wäre, hätten die Beamten nach Befragung des zentralen Polizeicomputers schon eine Sekunde später ihre Waffen gezogen, bereit, ihn bei einem »Fluchtversuch« zu erschießen.
    Und die Norweger wollten wissen, daß Ponti in der Liste bekannter schwedischer Organisationen palästinensischer »Tätigkeit« im Land hoch oben stehe und überdies enge Verbindungen zum internationalen Terrorismus habe und vermutlich »Mordkommandos« dirigiere.
    Und so weiter.
    Und dann noch diese journalistische Verschwörung. Die ließ sich jedoch auch ganz anders deuten: Damals, in den fröhlichen sechziger Jahren, waren ja mehr oder weniger alle »Journalisten« gewesen. Pontis militärischer Hintergrund wurde als besonders verdächtig hingestellt. Den hatte ihm jedoch der schwedische Staat angedeihen lassen, schon lange bevor ein Wort wie »logistischer Terrorist« überhaupt erfunden war.
    Carl hatte die Arbeit unterbrochen, um in seinen abgeschlossenen Trainingsraum zu gehen und mit ein paar Übungen seine Aggressionen loszuwerden. Erst dann setzte

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